Höhlenangst
dringend! Das Wasser stand mir schon Oberkante Unterlider.
»He!«, rief Heinz mir hinterher. »Net weglaufe. Wer zahlt denn jetz des ganze Klomp?«
Als ob man der Polizei jemals auskäme. Außerdem rannte ich gegen einen Baum. Deshalb hatte mich Janette auch gleich eingeholt.
»Lisa! Was ist denn los? Du …« Sie lachte. »Nicht die Augen reiben! Lass das. Du reibst dir bloß Dreck hinein.«
Ich fand ein Taschentuch und schnaubte. »Ich kann«, eierte meine Stimme, »Richard nirgends finden.«
»Und wer bitte schön ist Richard?«
»Mein … mein Staatsanwalt. Wir haben uns gestritten. Und nun ist er weg. Verschwunden. Er geht nicht ans Handy und antwortet nicht auf meine SMS. Seit einer Woche!«
»Ach! Dann ermittelt er gar nicht, sondern ist …« Sie lachte wieder. »… auf Beziehungsurlaub. Aber, Lisa. Kennst du die Männer so wenig? Die brauchen das hin und wieder. Nun mach dich doch nicht verrückt. Wahrscheinlich hat er nur vergessen, das Aufladegerät für sein Handy mitzunehmen.«
»Und wenn ihm etwas passiert ist?« Ich rotzte.
»Was soll ihm denn passiert sein? Wenn er einen Unfall gehabt hätte … Er ist doch Staatsanwalt. Das hätte sogar in der Zeitung gestanden, und zwar in unserer. Und dann wüsste ich das.«
»Aber wenn er … wenn er das ist … das war, da unten?«
»Himmel, Lisa! Deine Fantasie möchte ich nicht haben.«
»Dann hätte bis heute nichts in deinem Blatt über einen Staatsanwalt stehen können, der unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen ist.«
»Dann überlegen wir mal, Lisa. Ist dein Richard Höhlenfahrer?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ist er mit einem Höhlenfahrer befreundet?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Tja dann!« Sie glitzerte mich an. »Wie soll er dann da hinuntergekommen sein, in voller Montur? Und nun komm. Ich furchte, das Protokoll wird dir Heinz nicht erlassen, aber vielleicht die Kosten für den Einsatz, wenn du dich glaubhaft zerknirscht zeigst.« Sie nahm mich am Arm.
»Übrigens …« Ich rutschte auf einer Wurzel ab. »Warum hast’n den Bullen nicht gesagt, wer ich bin, Janette?«
»Wer bist du denn?« Sie lachte. »Ich finde, du musst jetzt schon selber sehen, wie du aus deinem Mummenschanz herauskommst.«
Die genarrten Höhlenretter hatten sich inzwischen aus ihren Schlazen gepellt und waren dabei, ihre Ausrüstung zusammenzupacken.
Ich stoppte. »Janette! Wieso sind die Seile rot?«
Sie klappte den Mund auf, ohne ihn wieder zuzumachen. Es gibt Fragen, die stellen sich nicht.
Ich enterte die raue Männerwelt, in der ein junger Mann eben verkündete, er sei mehr der grobmotorische Typ, was der nächste mit einem angedeuteten Faustschlag und einem »Buff!« kommentierte. Gelächter. »Oder wie Bud Spencer«, bemerkte ein weiterer. »Piff-parY-piff-pafff.«
»Eine Frage«, sagte ich.
»Tschuff, tschuff, tschuffi«, fuchtelte sich der junge Mann durch eine imaginäre Reihe von Gegnern. »Kennt ihr die Szene, wo Indiana Jones von einem Samurai angegriffen wird? Zwei Schwerter, ein Messer und tschui, tschui, tschui. Und Indiana Jones zieht eine Pistole und peng.« Er blies über den Revolvermund.
Die Männer bogen sich.
»Entschuldigung! Ich hätte da mal eine kurze Frage!«
Das Gejohle verflog nur widerstrebend.
»Jetzt Grüß Gott au!«, sagte ein großer Grauhaariger.
»Grüß Gottle zusammen.« Meine Forschheit prallte vom einen zum andern und auf mich zurück. Ich drosselte mein Tempo noch mehr. »Ihr seid die von Göppingen?«
»Noi, mir send die Schpeider-Män von der Uracher Spinne.«
»Ah, deshalb die Spinnen auf euren Taschen.«
»Nix für Spinnenphobiker«, bemerkte der Höhlenbär, der mich vorhin nach der Helmlampe gefragt hatte.
Gelächter.
»Wie ich sehe, benutzt ihr rote Seile.«
»Was dagegen?«
Die Herrschaften bogen sich erneut vor Lachen. Der Höhlenbär war jetzt, wo ich stand, einen halben Kopf kleiner als ich, aber dreimal so breit.
»Sind das besondere Seile?«, fragte ich.
»Besondere Männer, besondere Seile, das mögen die Frauen.« Der Bär wandte sich ab, um sich von den Kumpels den gern gezollten Lohn für seinen Witz abzuholen.
»Okay«, sagte ich. »Dann machen wir jetzt den Schwanzvergleich!«
Schlagartig wurde es still.
»Komm her. Du zeigst deinen und ich meinen«, sagte ich. »Und wenn meiner länger ist, dann kriege ich eine Antwort.«
Irgendeinem entfuhr ein Lachen, aber es wurde sofort vom allgemeinen Schweigen niedergeknüppelt.
»Na, was ist?«, sagte ich und fasste mir
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