Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
sprudelnden Heißquellen gespeist wurden; dann wieder verloren sie sich in kleinen, abgelegenen Gängen, die einen zum Alleinsein und Träumen verführten. Überall brannten die geheimnisvollen farbigen und duftenden Öllichter. Die Quellen waren schon vor langer Zeit von der Savalgorer Stadtverwaltung erschlossen und als eine Art Badeanstalt den Bewohnern zugänglich gemacht worden. Dies hier war der Frauenbereich, weiter nördlich lag der strikt abgetrennte Bereich für die Männer.
Hellami seufzte und Leandra wunderte sich, dass ihre Freundin sie wieder so nah an sich heranließ. Aber das mochte nur das Bedürfnis nach Wärme sein. Dennoch genoss sie es - nach diesen seltsamen Tagen voller hartnäckiger Zurückweisung.
24 ♦ Tirao
Victors Blick hatte sich in den Stunden des Fluges an Scolars Nacken festgesogen. Es war beinahe wie ein ohnmächtiger, immerwährender Angriff, wie ein Versuch, mit Blicken das zu erreichen, was ihm anders nicht möglich war - den Drachenpiloten zu packen und hinab in die Tiefe zu stoßen.
Victor kam immer mehr zu der Erkenntnis, dass er zu so etwas nicht in der Lage war: ein heimtückischer, hinterlistiger Mord - von hinten, ohne in Notwehr zu handeln oder in unmittelbarer Lebensgefahr zu schweben. Sah man einmal von der Bedrohung durch das ab, was folgen würde, sollten sie Hegmafor erreichen. Aber das war nicht Scolars Schuld; nein, es war seine eigene, Victors Schuld.
Was für einen irrsinnigen Einfall hatte er da nur gehabt! Er hatte einfach nicht daran gedacht, dass ihm Chast zweifellos einen Aufpasser mitgeben würde. Dass er einen Drachen der Bruderschaft nicht ohne einen Drachenpiloten ausgehändigt bekäme, hätte er sich jedoch leicht denken können. Durch seine Unbedachtsamkeit hatte er sich selbst und vor allem auch Roya einer großen Gefahr ausgeliefert. Selbst wenn sie davonzulaufen versuchten, heute oder morgen Nacht, sobald sie gelandet waren und Scolar schlief, würde das einem kläglichen Versagen gleichkommen. Vielleicht gelang es ihnen zu fliehen, aber das, was Victor wirklich erreichen wollte, nämlich den Pakt in seine Hände zu bekommen und somit das vollkommene Druckmittel gegen Chast zu besitzen, würde ihm nicht gelingen. Ohne den Drachen würden sie niemals bis nach Hammagor gelangen. Stattdessen würde Chast vermutlich, nachdem Scolar ihre Flucht gemeldet hatte - vorausgesetzt, sie entkamen ihm wirklich -, sehr bald von den Brüdern in der Basilika erfahren, dass man die Lage der legendären Geburtsstadt Sardins herausgefunden hatte. Immerhin - das Wissen über Hammagor und seine Lage war im Augenblick noch sein Geheimnis. Aber was nützte das schon, wenn sie nicht bis dorthin gelangten? Chast würde seine Schlüsse ziehen und irgendwann, wahrscheinlich sehr bald, selbst darauf kommen, dass es noch etwas anderes als Palimbaan geben musste, das Victor entdeckt hatte. Siedendheiß fiel ihm ein, dass er versäumt hatte, die entsprechenden Bücher aus seinem Schreibzimmer zu entfernen. Da war es kein Kunststück mehr, wenn Chast bald ahnte, wohin sie tatsächlich wollten.
Victor schnaufte elend. Dann würde Chast mit einem Großaufgebot selbst nach Hammagor aufbrechen. Er würde den Pakt finden, die Drakken ausschalten, Alina heiraten und Shabib werden - und zweifellos irgendwann all seine Gegner ausgemerzt haben, ihn, Roya und wohl auch Leandra mit eingeschlossen.
Victor wusste, dass es nur einen Weg gab, sich selbst die Tür noch offen zu halten, und der bestand darin, Scolar zu ermorden. Dieser aber war ein zweifellos gut ausgebildeter Kampfmagier und es gab wohl nur eine einzige Chance gegen ihn: ein überraschender, entschlossener Mordversuch von hinterrücks. Victor hatte keine Vorstellung, wie er das bewerkstelligen sollte.
Die Dämmerung war bereits angebrochen; seit Stunden schon flogen sie geradenwegs nach Nordwesten, auf Hegmafor zu. Immer wieder hatte ihm Roya sorgenvolle Blicke zugeworfen. Victor hingegen brütete nur dumpf vor sich hin.
Als die Sonnenfenster dann immer weiter verblassten, ging der Drache tiefer und Scolar hielt offenbar nach einem günstigen Platz für das Nachtlager Ausschau. Aber dann erkannte Victor mit Schrecken, dass der Pilot etwas ganz anderes vorhatte. Unter ihnen war eine Ortschaft in Sicht gekommen, und als Victor eine plötzliche Ahnung überkam, suchten seine Blicke alarmiert nach einem nahen Stützpfeiler - und fanden ihn. Dort, an der Flanke des grauen Felsriesen, lag eine trutzige Festung -
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