Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
wäre es nichts.«
Der Stolz stand Azrani und Marina ins Gesicht geschrieben.
»Und jetzt kommt das Beste«, sagte Azrani. »Wir haben die Karten. Eine Menge alter Karten! Da sind Dutzende von Gängen verzeichnet - mindestens vier oder fünf, die vom Palast nach Torgard führen!«
Leandra stand auf. »Ist das wahr?«
»Wir haben sie natürlich nicht dabei, aber wir haben sie. Ich schwöre es!«
Eine fieberhafte Stimmung hatte sich im Roten Ochsen ausgebreitet. Vendar meldete, dass man mit ein bisschen Glück schon in wenigen Stunden das gesamte Hafenviertel kontrollieren werde. Der Osten der Stadt lag weiterhin ungefährdet in der Hand von Jacaires Leuten - dort gab es kaum Kämpfe. Im Norden allerdings, in der Gegend um das alte Cambrische Ordenshaus, das jetzt Sitz der Duuma war, hatte sich ein Regiment der Stadtwache verschanzt und leistete erbitterten Widerstand. Vendar ging davon aus, dass es dort viele Duuma-Magier gab, die den Soldaten einheizten und ihnen jede Möglichkeit nahmen, die Seiten zu wechseln. Glücklicherweise aber wurde dieser Teil der Stadt zunehmend von der Verbindung mit dem Palastbezirk abgeschnitten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis man die Widerstand Leistenden zur Aufgabe zwingen konnte.
Damit blieb nur noch der Palastbezirk. Dort saßen der Hierokratische Rat und die Palastgarde, eine Truppe von legendärem Ruf. Im Augenblick hatte niemand eine Vorstellung davon, was passieren würde, wenn man sich gegen den Palast erhob.
»Wenn wir den Palast offen angreifen, gibt es ein Gemetzel«, sagte Vendar und deutete auf eine Stadtkarte, die Azrani kurz zuvor herbeigeschafft hatte und die nun auf dem großen Küchentisch lag. Ein rundes Dutzend Leute waren anwesend, unter ihnen Hochmeister Jockum, Meister Fujima, Vendar, Caan, Leandra, Marina und Azrani, sowie ein paar Männer und Magier von Jacaires Leuten, die offenbar wichtige Positionen innehatten. Leandra hatte darauf bestanden, diese Beratung in vertrautem Kreis abzuhalten, da sie fürchtete, jemand könne ihre Pläne ausspionieren. Hochmeister Jockum und Vendar hatten versucht, sie umzustimmen, denn sie waren der Auffassung, dass Leandra sich nun zeigen solle - die Leute wollten sie, die inzwischen schon berühmt gewordene Leandra, sehen und zu ihr aufblicken. Aber sie weigerte sich mit Entschiedenheit.
So musste der Rest der im Roten Ochsen anwesenden Leute ungeduldig in der Schankstube ausharren; zwei Männer passten auf, dass niemand in die Küche hereinplatzte. Die draußen wartenden Leute saßen auf Bänken und Tischen, hatten sich Querbalken an den Wänden zu Notsitzen gemacht oder hockten mit baumelnden Beinen auf dem, was noch von der Balustrade übrig war. Es war allgemein bekannt, dass in der Küche eine Beratung abgehalten wurde, und man wartete gespannt darauf, was beschlossen und wann zum Großangriff geblasen wurde.
»Der Palast ist eine Festung«, fuhr Vendar mit seiner Erläuterung in der Küche fort, »und vergleichsweise leicht zu verteidigen - besonders durch Magier. Wir können davon ausgehen, dass sich dort jede Menge dieser Bruderschaftler aufhalten. Und Chast wird die Möglichkeit, seine Pläne zu verteidigen, nicht aufgeben.«
»Und wenn wir den Palast einfach Palast sein lassen?«, fragte Marina. »Wozu brauchen wir ihn? Das Leben spielt sich in der Stadt ab. Es kann uns doch egal sein, wer dort drin sitzt und glaubt, er sei der Beherrscher der Stadt.«
Hochmeister Jockum stand auf und hob die Hand. »Das ginge niemals gut«, sagte er. »Eine Stadt wie Savalgor braucht ein Herz, einen Mittelpunkt, einen Herrschersitz. Die Leute wollen irgendwohin aufblicken und sich unter dem Schutz einer Macht fühlen. Wenn der wichtigste Punkt unserer Stadt ein Sitz des verhassten Gegners ist, wird Savalgor niemals mehr aufatmen - ja, dann wird es eines Tages selbst böse werden. Die Händler würden ausbleiben, keine Schiffe würden mehr kommen. Die Menschen würden fortziehen. Zuletzt bliebe nichts als eine Geisterstadt übrig, in der dunkle Gestalten leben, und spätestens dann würde Savalgor der Bruderschaft doch wieder in die Hände fallen.«
Gemurmel erhob sich, viele nickten beipflichtend.
»Und wenn wir sie aushungern?«
Vendar winkte ab. »Das würde lange dauern. Außerdem haben sie, soweit ich weiß, ein paar Sonnendrachen. Sie könnten sich Nahrungsmittel, ja sogar Waffen und Leute beschaffen.«
»Dann müssen wir sie eben doch angreifen«, rief ein anderer. »Wir müssen den Palast
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