Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Nachhinein war es kaum vorstellbar, dass dieser nette, kleine Mann mit seiner Entschlossenheit und Geistesgegenwart sie vor der Vernichtung bewahrt hatte. Nur leider Vendar nicht.
Leandra trat zu ihm. »Was war das für eine Magie, Meister Fujima?«, fragte sie. »Das Trivocum hat sich nicht im Mindesten bewegt!«
Xarbas und Gablina traten mit hinzu. Auch sie schienen eine Antwort hören zu wollen. Fujima studierte lange Leandras Gesicht, dann sah er zu Xarbas und Gablina und seufzte. »Es war keine Elementarmagie«, gab er zu.
»Das habe ich gemerkt«, stellte Leandra fest und zog die Nase hoch, die von ihrem Weinkrampf noch immer ein wenig lief. »Nennt man Euch nicht den Philosophen des Trivocums, Meister Fujima? Den Hüter des Kodex?«
Fujima schüttelte den Kopf. »Nein. Altmeister Ötzli ist es, der sich gern als ›Hüter des Kodex‹ bezeichnen ließ.« Er seufzte. »Aber ... nun, liebe Leandra, es liegt doch eigentlich nahe, dass es durchaus auch noch andere Quellen der Eingebung in der Magie geben kann. Findest du nicht?«
Leandra wischte sich noch einmal übers Gesicht. »Hättet Ihr dann nicht früher etwas tun können? Etwas, das Vendar das Leben gerettet hätte?«
Sie kam von Vendars Tod nicht los. Der Gedanke war unerträglich, dass sie nie mehr sein Lächeln würde sehen können. Sie beide waren sich viel zu nah gewesen, als dass sie seinen Tod einfach nur hinnehmen und weitermachen konnte. Sie spürte Yos Arm, der sich wieder tröstend über ihre Schulter legte, und gleich darauf musste sie an Hellami denken, an Hellami und Jacko. Sie atmete schwer ein und aus.
»Ich bin eine schöne Anführerin«, sagte sie, den Tränen wieder nahe. »Ich heule mir die Seele aus dem Leib, wo ich doch diesen verfluchten Chast zur Hölle schicken sollte!«
»Schon gut«, sagte Meister Fujima und legte ihr ebenfalls die Hand auf die Schulter. »Ich glaube, gerade deswegen mögen wir dich alle so. Weil du ein empfindsamer Mensch geblieben bist, trotz allem, was du bisher schon durchgemacht hast.«
Sie spürte die Wärme, die sich bei diesen Worten in ihr ausbreitete, und war Meister Fujima und auch Yo dankbar dafür. Sie mussten sich in diesen Stunden wohl alle gegenseitig stützen.
»Also gut«, seufzte sie. »Ich werde mich bessern. Wir werden jetzt Alina aus diesem verfluchten Torgard herausholen. Und zwar gleich. Können wir uns vor diesen Ghouls schützen?«
»Sicher nicht sonderlich gut«, sagte Meister Fujima. Er dachte nach. »Es wird das Beste sein, ich gehe voraus und versuche, sie zu erspüren.« Er sah der Reihe nach Gablina, Xarbas und Leandra an. »Ich denke, ihr könnt das auch. Achtet auf kleinste Verfärbungen im rötlichen Schein des Trivocums. Verfärbungen zum Blauen hin. Ich weiß - gerade das ist sehr schwierig. Aber lieber einmal zu viel gewarnt als einmal zu wenig. Ich schlage vor, sobald einer von uns etwas wahrnimmt, ruft er eine schnelle Warnung und wir gehen sofort in Deckung oder lassen uns zu Boden fallen. Es scheint mir, dass diese Wesen - bei der Geschwindigkeit, mit der sie angreifen - ein recht großes Ziel benötigen.«
Leandra nickte. »Ja, klingt vernünftig. Und was tun wir, wenn sie da sind?«
»Wir müssen noch immer so lange wie möglich unbemerkt bleiben«, sagte Meister Fujima und hob die Arme. »Also müsst ihr alle auf meine Magie vertrauen. Ich kann diese Wesen töten, ohne das Trivocum zu erschüttern. Wenn ich einen Augenblick Zeit finde.«
»Könnt Ihr diese Magie nicht erklären, Meister?«, fragte Xarbas besorgt. »Sodass auch wir sie anwenden könnten?«
Meister Fujima schüttelte mit einem zweifelnden Lächeln den Kopf. »Grundsätzlich ginge das, aber es ist in der Kürze der Zeit unmöglich. Wie Leandra schon bemerkte, man nennt mich mitunter den Philosophen des Trivocums. Die Wahrheit ist, dass ich schon seit der Zeit, da ich ein junger Magier war, nach Weiterentwicklungen in der Magie forschte. Ich habe mich durchaus immer bemüht, beherrschbare Formen zu finden - im Sinne des Kodex. So viel zu meiner Entschuldigung. Aber diese Magieform - nein, die kann ich keinem innerhalb von Minuten erklären. Ich arbeite seit vielen Jahren daran.«
Leandra seufzte leise. Munuel hatte seine ›Stygische Magie‹ angewandt, sie selbst hatte es ihm nachgetan, und nun stellte sich heraus, dass selbst der berühmte Meister Fujima der Elementarmagie nicht immer treu geblieben war. Wenn man es genau betrachtete, benötigten sie langsam einen anderen Grund, um sich
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