Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
begriffen. »Richtig!«, sagte er und stand auf. »Bravo, Valerian! Deine Gedanken sind klug! Sie wollen von uns so viel wie irgend möglich über Magie erfahren. Das muss der wahre Grund für den Pakt sein!
Sie brauchen einen Verbündeten in unserer Welt - um all die Rebellen, die gegen sie aufstehen würden, beherrschen zu können! Und die Bruderschaft ist wie geschaffen für diese Aufgabe! Wir haben die Gilde zerschlagen, ein Magieverbot verhängt, die Macht im Akrania übernommen und sind in der Lage, alle magischen Aktivitäten zu kontrollieren. Und wir besitzen Zugang zu allen Bibliotheken der Gilde!« Er blickte auf und seine Augen spiegelten den Triumph, den die Bruderschaft bis zum heutigen Tage erreicht hatte. »Wir beherrschen heute bereits das mächtigste Reich der Welt und könnten in ein oder zwei Jahren schon die ganze Welt unter uns haben!«
»Ja«, sagte einer der Brüder leise. »Die Bruderschaft stellt schon jetzt die stärkste Quelle der Magie dar. Sowohl in der Macht als auch im Wissen!«
Chast verspürte einen heftigen Stich und wandte sich ab. Kaum waren die Worte des Triumphes ausgesprochen, meldeten sich auch schon die Eitlen zu Wort. Jeder der Brüder, die an dieser Diskussion teilgenommen hatten, würde sich zu Höherem berufen fühlen -allein aus dem Grund, dass Chast zugelassen hatte, seine Gedanken mit ihnen zu teilen. Plötzlicher Zorn brandete in ihm auf. Er schalt sich einen unsäglichen Narren. Er hatte tatsächlich in der Wir-Form gesprochen, so als befänden sich diese kleingeistigen Idioten und Nachplapperer - einmal abgesehen von Valerian und vielleicht noch Rasnor - auf einer Stufe mit ihm! Unter Aufbietung aller inneren Kräfte zwang er sich zur Beherrschung und kam damit nur einmal mehr zu dem verbissenen Entschluss, dass etwas geschehen musste!
Dennoch - das verfluchte Dilemma bestand darin, dass Chast dringend kluge Köpfe brauchte. Möglicherweise wäre er erst auf die Gedanken dieses Valerian gekommen, wenn es bereits zu spät gewesen wäre! Er hatte einfach nicht die Zeit, den Rat zu überwachen, diese Bruderschaft im Griff zu halten, seine nächsten Züge zu planen und nebenbei auch noch Forschungsarbeit zu betreiben. Immer klarer wurde ihm, welch katastrophal zusammengewürfelten Haufen von Wirrköpfen er von seinem verfluchten Vorgänger Sardin geerbt hatte. Es waren eigentlich nicht mehr als ein paar Hundert ausgestoßene Fanatiker, die durch ihre Machtgier, ihren Hass auf die Allgemeinheit und den charismatischen Zwang eines Wahnsinnigen wie Sardin zusammengehalten worden waren. Sardin hatte diese Bruderschaft durch nichts als seine tödliche Autorität geformt. Damals, da Chast noch unter Sardin als Verantwortlicher für die Ausbildung einer kleinen Gruppe von Mönchen zuständig gewesen war, hatten ihn die Missstände in der Bruderschaft aufs Äußerste erregt, was letztlich, nach seinem Aufstieg, dazu geführt hatte, dass er beschloss, sich des wahnsinnigen Meisters der Bruderschaft zu entledigen.
Und nachdem ihm dieser Schlag gelungen und ihm die Flucht aus Unifar geglückt war, hatten die Festigung seiner Machtposition in Savalgor und die Erschließung der alten Festung von Torgard seine ganze Aufmerksamkeit gefordert. Nun aber stand er vor einem hoffnungslos verrotteten Haufen von Schwachköpfen, die allesamt darauf hofften, in kürzester Zeit zu höchsten Ehren innerhalb einer durch die Bruderschaft gesteuerten Gesellschaft zu gelangen. Was für ein Irrsinn! Es musste etwas geschehen - und zwar so schnell wie irgend möglich!
Er wandte sich um und überlegte für Sekunden, ob er nicht einfach ein magisches Feuer entfachen sollte, um dieses gefährliche Dutzend Emporkömmlinge, das hier vor ihm stand, zu Asche zu verbrennen. Das wäre eine Sorge weniger.
Aber wieder beherrschte er sich - eine solche Maßnahme würde irgendwann für ihn den Tod bedeuten, auf ähnliche Weise, wie es Sardin ergangen war. Nein -in Gedanken verwarf er für den Moment sämtliche Pläne, die er bearbeitete, und entschloss sich, noch heute die Neuordnung der Bruderschaft einzuleiten.
Aber Valerian riss ihn mit neuen Überlegungen aus seinen verbissenen Gedanken.
»Angenommen, wir würden unseren Teil des Paktes erfüllen«, sagte der Jung-Bruder. »Wie sollen wir, falls die Drakken sich weigern, ihren versprochenen Preis zu bezahlen, den Kryptus anwenden - wenn wir die Urschrift nicht besitzen?«
Jeder Einzelne der Anwesenden sah Valerian betroffen an. Ein Blitz zuckte durch
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