Höhlenwelt-Saga 02 - Leandras Schwur
Pause. Dann nickte er langsam. »Du bist nicht nur unverschämt dreist, kleiner Skriptor, sondern auch noch ein kluger Kopf - du bist geradezu gerissen! Ich weiß nicht, ob ich dich in höhere Ämter befördern oder lieber auf der Stelle ins Stygium jagen sollte.« Er setzte sich wieder und begann mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln. »Leute wie du können eine unschätzbare Hilfe sein oder sie können unbeschreiblich gefährlich werden. Zu welcher Sorte gehörst du?«
Valerian leistete sich ein hinterlistiges Grinsen. »Zu den Gefährlichen, Meister.«
Chasts Gesicht spiegelte ein abgründiges Vergnügen. Der Verlauf dieser Unterhaltung schien ihm zu gefallen. »Ich will deinen Verstand noch ein wenig auf die Probe stellen, kleiner Skriptor. Bei unserer Unterhaltung heute Morgen blieb eine entscheidend wichtige Frage offen. Kennst du sie?«
Valerian dachte einen Augenblick nach. Dann nickte er. »Ich denke ja, Meister. Sie lautet: Warum wollen die Drakken unbedingt die Herrschaft über alle Menschen in der Höhlenwelt innehaben? Ein Pakt mit der Bruderschaft sollte ihnen eigentlich genügen, um die Geheimnisse der Magie zu erfahren. Aber offensichtlich wollen sie zusätzlich auch noch die gesamte Menschheit beherrschen. Auch diejenigen, die nichts mit Magie zu tun haben. Warum?«
Chast nickte respektvoll. »Ja, das ist richtig. Ich hätte es zwar anders formuliert, aber deine Darstellung trifft den Kern der Sache. Hast du eine Antwort?«
Valerian schüttelte den Kopf. »Nein. Nur die, dass es einen sehr triftigen Grund geben muss und dass wir gut daran täten, ihn schnellstens in Erfahrung zu bringen.«
Chast erhob sich wieder und ging im Raum auf und ab. Für eine Minute sagte er nichts und Valerian beobachtete ihn geduldig. Dann drehte sich Chast um und deutete abermals auf ihn. »Also gut, kleiner Skriptor! Du sollst deine Gelegenheit bekommen! Du hast mich gefragt, wie ich in dieser Bruderschaft aufstieg, und du hast Recht - ich fing es genau wie du an! Mit Verstand und Mut. Ich war zwar nicht derartig frech wie du, aber das will ich für heute übersehen. Damals, unter Sardin, herrschten auch noch andere Verhältnisse.«
Chast nahm seinen Finger wieder herunter und marschierte aufs Neue umher. »Ich erteile dir hiermit die verantwortliche Leitung über die Erforschung unserer dringendsten Fragen. Du unterstehst ab heute niemand anderem als mir persönlich. Keiner hat dir mehr etwas zu sagen, kein Rasnor und auch sonst niemand. Nimm dir ein paar kluge Leute - ich nehme an, du wirst welche kennen - und mach dich daran, die Zweitausfertigung des Paktes zu finden, die den Kryptus enthält. Ein solches Dokument muss existieren! Sardin wird es versteckt haben - an welchem Ort auch immer. Außerdem musst du herausfinden, ob Sardin in diesem seltsamen Kryptus nicht ein Hintertürchen eingebaut hat, das es uns erlaubt, den magischen Schlüssel außer Kraft zu setzen! Sardin war zwar ein Tyrann und ein Wahnsinniger - aber er war auch einer der mächtigsten Magier aller Zeiten - wenn nicht gar der Mächtigste von allen. Ich kann nicht glauben, dass er sich keinen Fluchtweg offen gelassen hat!«
Valerian nickte. »Ja, dieser Ansicht bin ich auch.«
Chast musterte ihn eindringlich. Da er aber nichts sagte, hob Valerian zu einer Frage an. »Sardin muss von den Drakken doch eine Gegenleistung verlangt haben, Hoher Meister. Welche ist das?«
Chasts Augen blitzten auf. »Ich will es dir sagen, Bruder Valerian. Nur eine Andeutung, weil dies nicht dein Gebiet ist. Bei dieser Gegenleistung handelt es sich offenbar um ein Objekt, das sich Okryll nennt. Genaueres wissen wir noch nicht, aber ich habe bestimmte Leute darauf angesetzt. Sie stehen kurz davor, es zu entschlüsseln.« Er machte eine Pause. »Mehr wirst du nicht erfahren. Ich sage es dir nur, weil es möglicherweise in Zusammenhang mit deiner Aufgabe steht. Du wirst dieses Wort weder irgendjemandem gegenüber aussprechen noch dich selbst in irgendeiner Form damit beschäftigen. Hast du das verstanden?«
Valerian nickte gehorsam und blieb stumm auf seinem Stuhl sitzen. Er war sicher, dass nun noch eine massive Warnung folgen würde. So war es auch. Chast trat an seinen Stuhl heran und baute sich in seiner ganzen Größe vor ihm auf. »Ich will ständig über deine Erfolge auf dem Laufenden gehalten werden. Und sollte es dir einfallen, mich auch nur im Mindesten zu hintergehen, kleiner Skriptor, wirst du dir wünschen, dass deine Mutter und dein Vater
Weitere Kostenlose Bücher