Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
und Leandra wunderte sich zuerst, dass sie nichts verstehen konnte. Dann endlich wurde ihr klar, dass die wenigen Drachen, die sie bisher gekannt hatte, stets nur die alte, gemeinsame Sprache der Drachen und Menschen gesprochen hatten, niemals jedoch die wahre Drachensprache.
Geduldig wartete sie, was geschehen würde.
Die Felsdrachen von Faionas Sippe besaßen eine etwas andere Färbung als Tiraos weiter im Norden lebende Art. Ihre Haut war heller und hatte einen grünlichen, teils rötlichen Schimmer. Ihre Erscheinung wirkte nicht ganz so elegant wie die Tiraos, da sie breiter und muskulöser gebaut waren, aber sie waren sehr kraftvolle und geschickte Flieger, was Leandra hier überall beobachten konnte. Dann entdeckte sie, dass es die weiblichen Drachen waren, die jenen rötlichen Schimmer besaßen - es war das erste Mal, dass sie auffällige Unterschiede zwischen den Geschlechtern bemerkte. Victor bestätigte ihr, dass auch Faiona den Hauch dieser Färbung besessen hatte.
Schließlich hatte sich die erste Aufregung gelegt. Einige Drachen saßen neugierig auf dem Felssims und beäugten sie. Unter den Jungtieren herrschte ein ständiges Kommen und Gehen; sie landeten auf dem Felssims, nur um gleich wieder davonzufliegen. Das Leben in einer solchen Drachensippe war staunenswert.
Langsam formte sich eine Gruppe aus älteren Drachen um sie herum, und Leandra versuchte zu erspüren, was sie fühlten; ob sie neugierig und erwartungsvoll oder eher misstrauisch waren. Tirao nahm das Gespräch auf. Er bediente sich der alten Sprache, sodass Leandra verstehen konnte, was er sagte. Die Drachen antworteten ihm sogar in dieser Sprache - Leandra empfand es als eine außerordentlich freundliche Geste den Menschen gegenüber.
Die traurige Nachricht von Faionas Tod war ein Schock für die Drachensippe. Der eine oder andere Drache berichtete, dass er bereits eine Ahnung gehabt hatte. Der Augenblick ihres Todes war durch eine unnennbare Sphäre gehallt, wo er auch bis zu Tirao vorgedrungen war. Er allein hatte gewusst, dass sich Faiona an einem gefährlichen Ort und in einer gefährlichen Situation befunden hatte, und er allein war in der Lage gewesen, dieses Signal richtig zu verstehen. Er war seit Jahren ihr Freund und Geliebter gewesen und hatte sie gekannt wie kein anderer. Nun, da auch Faionas Sippe die Gewissheit über ihr Schicksal erlangte, verwandelte sich die ausgelassene Stimmung in der Kolonie hoch droben an dem Felspfeiler in dumpfe Trauer.
Tiraos anschließende Bitte um Hilfe war deswegen umso schwieriger. Die Felsdrachen berieten eine ganze Stunde, aber schließlich gelang es Leandra und Tirao, sie von der Dringlichkeit ihrer Mission zu überzeugen. Es ging um ihr aller Schicksal.
Nerolaan, der Sippenälteste, sandte vier junge Drachen zu benachbarten Sippen, um die Nachrichten weiterzugeben. Ein Schauer fuhr Leandras Rücken herab, als ihr klar wurde, dass etwas ganz Großes geschah: Die seit zweitausend Jahren getrennte Verbindung zwischen den Menschen und den Drachen lebte wieder auf. Von echter Freundschaft zu reden wollte sie noch nicht wagen, dennoch, es geschah etwas.
Schon vor einem Jahr hatten die Menschen und die Drachen gemeinsam gegen eine Bedrohung gekämpft, und nun, da die Drakken davor standen, die Welt zu überfallen, rückten sie noch enger zusammen - die beiden größten und wichtigsten Rassen der Höhlenwelt.
Vor nicht allzu langer Zeit glaubte Leandra den wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden Rassen entdeckt zu haben und auch den Grund dafür, dass die alte Freundschaft einst in die Brüche gegangen und nie wieder aufgelebt war. Es lag in dem Phänomen, dass der Mensch ein anderer wurde, wenn er in großer Zahl auftrat. Das war bei den Drachen nicht so. Als Einzelwesen waren Menschen wie auch Drachen durchaus liebenswerte Geschöpfe. Sie besaßen moralische Werte, hegten gute Absichten und waren zu Freundschaft, Liebe und anderen Tugenden fähig. Während dies auf die gesamte Rasse der Drachen zutraf, war es bei den Menschen nicht so. Wurden die Menschen zahlreicher, dann gerieten die Massen in Bewegung und es kam zu Unruhen. Oft genug war es bestürzend, zu welch schrecklichen Taten Gruppen von Menschen in der Lage waren. Die Kriege der Vergangenheit hatten dies gezeigt. Als Masse waren die Menschen ein grausiger, blutrünstiger und gnadenloser Moloch, und es war die Frage, ob sie von den Drakken, den fremden Echsenwesen, in dieser Kunst allzu weit übertrumpft werden
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