Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
auch ihren wichtigsten Garanten verloren, an den Pakt zu gelangen. Ich fürchte, dass sie nun selbst versuchen werden, das Dokument zu finden und es zu vernichten. Außerdem sind da noch eure Verfolger.
Victor schluckte. Unsere Verfolger?
Natürlich, erwiderte Ulfa. Sie wissen nichts von Chasts Tod und sind euch beiden nach wie vor auf den Fersen, um euch den Pakt abzujagen. Oder um ihn selbst zu finden, falls euch das nicht gelingen sollte.
Roya ächzte leise. Ihr Griff um Victors Hand wurde fester, so als könnte er ihr den nötigen Halt geben. Dabei wusste er selbst nicht, was sie jetzt tun sollten. Wie viel Zeit haben wir noch?, fragte er.
Ich kann es leider nicht genau sagen. Zwei oder drei Tage.
Sie sind nicht mehr fern. Ich weiß nicht, wie lange sie brauchen werden, um Hammagor zu finden. Es kommt darauf an, wie gut die Hinweise sind, die sie über die Lage dieser Festung gefunden haben.
Victor schnaufte. Verdammt! Ich hätte das ganze Zeug vernichten sollen! Wenn sie sich auf meinem Schreibtisch gut genug umgesehen haben, dann können sie Hammagor ebenso leicht finden wie wir!
Der kleine Drache erwiderte nichts, starrte Victor nur an.
Weißt du, wie viele Leute es sind, die uns verfolgen? Und wer es ist? Hat Chast uns Kampfmagier hinterhergeschickt?
Genaues kann ich dir nicht sagen, Victor. Ich habe sie einmal kurz beobachtet, es müssen fünf oder sechs Männer sein. Aber es ist wohl zu erwarten, dass Magier unter ihnen sind. Ihr müsst euch sehr beeilen, hier in Hammagor zum Erfolg zu kommen. Erst wenn ihr den Pakt in Händen habt und fliehen könnt, ehe sie hier eintreffen, habt ihr einen nennenswerten Vorteil. Wie ich schon sagte: In der Hauptstadt gibt es zurzeit niemanden, der Ordnung schaffen könnte, keiner hat genug Macht dazu. Und manche sind froh darum und versuchen ihren Vorteil daraus zu ziehen.
Aber... was ist mit Leandra?, fragte Roya. Kann sie denn nicht...?
Ulfa zögerte. Das ist leider eine weitere der schlechten Nachrichten, sagte er. Leandra und ihre Freunde wurden von der Palastgarde festgenommen. Man beschuldigt sie, ein Ratsmitglied ermordet zu haben.
2 ♦ Anklage
So hatte Leandra es sich nicht vorgestellt. Sie saßen wie auf einer Anklagebank nebeneinander: Meister Fujima, Gildenmeister Xarbas, Jacko, Hellami und sie selbst. Alina saß etwas abseits auf einem Stuhl. Das Grüpplein der Mutigen, die aufgestanden waren, um Chast und der Bruderschaft von Yoor entgegenzutreten und das Land aus der Unterdrückung zu befreien. Und sie hatten gesiegt.
Aber statt dass man sie auf Podeste gestellt und ihnen zugejubelt hätte, saßen sie nun hier hinter etwas, das man eine Absperrung hätte nennen können, während sich vor ihnen, im Sitzungssaal, zwölf höchst wichtige Herren die Köpfe heiß redeten, wie man mit ihnen zu verfahren hätte.
»Mag sein«, rief Hennan, ein dicklicher kleiner Mann, der in einen rot schimmernden Priestertalar gekleidet war, »dass dieser... Chast ein Mann von... nun, sagen wir: etwas zweifelhafter Ehre war. Dennoch, er war Mitglied des Rates! Das ist keinesfalls abzuleugnen. Und die da...«, damit deutete er mit seinem speckigen Zeigefinger, an dem ein riesiger, juwelenbesetzter Ring wie eine überreife Frucht prangte, auf Leandra und ihre Gefährten, »...haben ihn umgebracht.«
Für Augenblicke hallte das letzte, anklagende Wort Hennans durch das Rund dieses ehrwürdigen Saales. Schon seit einigen hunderten von Jahren pflegte hier ein Rat von hohen Würdenträgern im Zusammenwirken mit dem Shabib, dem Herrscher des Landes Akrania, Entscheidungen zu fällen. Aber dieses Attribut ehrwürdig; so dachte Leandra missmutig, gehörte nun wohl der Vergangenheit an. Der Rat, der heute hier tagte, war korrupt bis ins Mark. Und einen Shabib oder eine Shaba gab es derzeit nicht. Alina, die diesen Rang hätte bekleiden sollen, saß ebenso machtlos wie Leandra und ihre Freunde abseits der hohen Herren und hatte zu schweigen.
»Jawohl«, rief ein anderer in dunkelbrauner Kutte und erhob sich schwungvoll von seinem thronähnlichen Stuhl. Er hieß Cicon, und es war ihm schon von weitem anzusehen, dass er keiner derjenigen war, die allzu nachsichtig mit Leuten verfuhren, die seiner Meinung nach schuldig waren. »Das können wir nicht hinnehmen!«, rief er. »Wo kämen wir hin, wenn sich das einfache Volk nach Belieben seiner Herrscher entledigen würde - wenn nur irgendein Verdachtsmoment besteht? Fälle dieser Art müssen von uns, dem Hierokratischen Rat,
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