Höhlenwelt-Saga 03 - Der dunkle Pakt
für das Amt zuzulassen oder zu bestätigen! Das wisst Ihr alle! Es ist eine Frage der Erbfolge...«
»Falsch«, donnerte die Stimme von Oppen, dem dicken Prälaten, dazwischen. Der Mann erhob sich von seinem Stuhl und deutete anklagend auf Ulkan. »Unsere Verfassung verlangt eine unstrittige Erbfolge! Das bedeutet, dass nur ein Kind des Shabibs und seiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau tatsächlich in der Erbfolge stehen kann!«
Ulkan stand ebenfalls auf. »Aber das ist sie!«, rief er. »Sie ist eine Tochter des Shabibs Geramon und seiner Ehefrau Hegmira!«
Der Dicke schüttelte entschieden den Kopf. »Wieder falsch! Als diese junge Frau zur Welt kam, war Hegmira nicht mehr die rechtmäßig angetraute Ehefrau des Shabibs! Die Trennung zwischen den beiden war bereits vollzogen!«
»Das sind doch Spitzfindigkeiten«, beschwerte sich ein unauffälliger Mann, der sich bisher kaum zu Wort gemeldet hatte. Er war mittelgroß, braunhaarig und wies keine besonderen äußeren Merkmale auf - ganz im Gegensatz zu den meisten anderen hier. Leandra fragte Meister Fujima nach dem Namen des Mannes -Uddrich - und prägte sich sein Gesicht ein. Vielleicht war er ein weiterer derer, die auf ihrer Seite standen.
Der Mann erhob sich. »Uns ist bekannt, dass der Zeitpunkt ihrer Geburt nicht dem Wortlaut unserer Verfassung entspricht«, sagte er ruhig und blickte in die Runde. »Aber wir stehen hier vor einem Ausnahmefall. In den vielen vergangenen Jahrhunderten ist es nie vorgekommen, dass ein verstorbener Shabib oder eine Shaba zu wenig Nachkommen hinterlassen hätten, als dass die Erbfolge strittig gewesen wäre. Deswegen ergab sich auch nie eine Notwendigkeit, unsere Gesetze daraufhin abzuklopfen, ob sie auch für den Fall der Fälle eine Regelung bereithalten.«
Beifälliges Gemurmel erhob sich hier und da. Die Rede des Mannes war besonnen, klar und überzeugend. Leandra schöpfte weitere Hoffnung.
»Nun aber«, fuhr der Mann fort, »stehen wir erstmals vor einem solchen Problem. Zweifelsfrei ist die junge Dame Alina die einzige uns zur Verfügung stehende Shaba-Anwärterin. In diesem Fall, so meine ich, haben wir die Pflicht, den Inhalt der Verfassung so auszulegen, dass keine Fehlentscheidung im Sinne des Gesetzes entstehen kann. Wir müssen sicherstellen, dass eine Shaba ihre Aufgabe angemessen erfüllen kann. Da Alina keine Erziehung und Vorbereitung auf das Amt bei Hofe genossen hat, erscheint es mir als das Mindeste, dass sie den Vater ihres Kindes vorweist und ihn ehelicht, um im Volk und vor dem Rat den erforderlichen Respekt als Herrscherin des Landes zu erlangen.«
Leandra wurde bleich. Die Rede des Mannes, den sie eben noch als auf ihrer Seite stehend wähnte, hatte sich ins genaue Gegenteil verkehrt. Ein verteufelt gerissener Kerl! Mit seinen Worten hatte er das Bestreben jener Ratsmitglieder, die die Ernennung von Alina zur Shaba verhindern wollten, nur untermauert. Sie strich ihn eilig von der Liste ihrer Freunde.
»Ein Trick«, rief Fellmar dazwischen. »Ein Trick von Euch hinterlistigen Bruderschaftlern Ihr wisst, dass sie das nicht kann! Sie kennt den Vater ihres Sohnes nicht und wird ihn auch niemals vorweisen können! Damit wollt Ihr ein für alle Mal verhindern, dass sie auf den Thron kommt...!«
Nun wurde es laut im Saal und Leandras Hoffnung sank mit jeder Sekunde. Liebend gern wäre sie aufgesprungen und hätte dazwischen gebrüllt, hätte den Männern Dutzende von Einzelheiten berichtet und die Wahrheit in ihre erlauchten Gesichter geschrieen - aber Ötzli hatte sie gewarnt. Sie durfte nur sprechen, wenn sie gefragt wurde. Jeder unaufgeforderte Zwischenruf von ihr oder einem ihrer Gefährten würde ihre Lage drastisch verschlechtern.
Nun donnerte wieder Ötzlis gewichtige Stimme durch den Saal. »Haltet ein, Ihr Herren! Das führt zu nichts, wir müssen die Würde unserer Versammlung wahren!«
Die lauten Stimmen verebbten wieder.
»Wie ich schon sagte«, fuhr Ötzli fort, »haben wir darüber zu entscheiden, ob der Shabibstochter Alina weiterhin der Anspruch auf den Thron verwehrt wird, bis dass sie den Vater ihres Sohnes Marie vorweisen kann und ihn ehelicht.«
Leandra versuchte, aus dem Gemurmel der Hierokraten herauszuhören, wie viele der Männer für beziehungsweise gegen den Antrag waren. Es gelang ihr nicht.
»Zweiter Punkt: Wir müssen abstimmen, ob die hier anwesenden Personen - die Gefolgschaft der Adeptin Leandra - des Mordes an einem Ratsmitglied angeklagt werden
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