Höhlenwelt-Saga - 08 - Die Magie der Höhlenwelt
trugen. An ihrer Seite baumelte seit dem Morgen ein kleines
Jagdmesser in einer Lederscheide; Ullrik hatte es tags zuvor für
sie auf dem Markt gekauft. Laura war, wenn es darauf ankam, ein
tatkräftiges Mädchen; nach allem, was Ullrik mit ihr erlebt hatte,
hätte man sie sogar eine kleine Wildkatze nennen können. Sie
wusste sich zu wehren und sollte deshalb in Zeiten wie diesen
nicht ohne Waffe sein. In ihre kurzen dunkelbraunen Haare hatte
sie schmale bunte Bänder geflochten, wie damals, als Ullrik sie
zum ersten Mal erblickt hatte.
Wie mochte es wohl für sie sein, hier in der Höhlenwelt?, fragte
er sich. Für ihn war Jonissar, Lauras Welt, verwirrend und fremdartig gewesen, vor allem, weil es dort keine Stützpfeiler und
keinen Felsenhimmel gab. Auf Jonissar, einer sterbenden Welt,
hatten nur ein paar hundert Menschen und einige Drachen gelebt.
Hier, in Savalgor, brodelte es nur so vor Menschen. Ihn hätte das
geängstigt, wäre er hier fremd gewesen. Laura jedoch schien es
nicht zu stören. Im Gegenteil – sie war von grenzenloser Neugierde beseelt und schien jeden Atemzug zu genießen.
Seine Ängste vermochte sie nicht wirklich zu teilen – sie wirkte
zwar vorsichtig, aber keineswegs furchtsam.
Ihr eigentliches Ziel an diesem Morgen war der Palast, aber Ullrik hatte bisher nicht gewagt, die Stufen des Großen Portals hinaufzusteigen. Er hatte vorgehabt, in der Rekrutierungsstube der
Palastwache vorstellig zu werden, um dort durch ein paar unverfängliche Fragen herauszubekommen, wer jetzt in Savalgor das
Sagen hatte und was aus Alina und ihren Freunden geworden
war. Er konnte nicht glauben, dass Alina im Kerker saß, geschweige denn, dass man sie getötet hatte – so etwas wäre niemals geheim geblieben und hätte ganz andere Wellen in Savalgor
geschlagen. Die einfachen Leute liebten Alina. Nein, er hoffte bestätigt zu bekommen, dass sie und die anderen tatsächlich geflohen waren – woraus sich allerdings die Frage ergab, wohin. Womöglich nach Malangoor. Das war das Geheimversteck der
Schwestern des Windes, ein Ort, über den Ullrik nicht viel wusste,
außer dass er weit, weit entfernt lag. Ehe er sich auf den Weg
dorthin wagte, brauchte er Gewissheit oder wenigstens einen
Hinweis, Die Wirtsfrau erschien, eine rundliche Dame mit strenger
Miene, die ihnen zögernd kalten Braten mit Rettich und Brot auf
den Tisch stellte. Sie maß Ullrik und Laura mit prüfenden Blicken,
als wollte sie sich ein Bild davon machen, ob sie überhaupt fähig
oder willig waren zu zahlen. Kurz darauf kam der Wirt selbst und
brachte noch den Humpen Weizendünnbier, den Ullrik bestellt
hatte.
»Was macht ihr in der Stadt?«, verlangte der Wirt zu wissen. Er
hatte sich mit verschränkten Armen neben seiner Gattin aufgebaut und belagerte mit ihr zusammen den Tisch, als wollten sie
den beiden den Fluchtweg verstellen.
Ullrik brummte unwillig, langte nach seinem Geldbeutel und
knallte ihn auf den Tisch. »Wenn es euch lieber ist, bezahlen wir
gleich. Ansonsten wollen wir unsere Ruhe haben, ja?« Laura tat
das ihre dazu, indem sie den beiden ihr nettestes Lächeln schenkte – und das wirkte sofort. Die Wirtin seufzte lautstark, ließ die
Arme sinken und hob erklärend die Hände.
»Verzeiht – und macht euch nichts draus, aber die Zeiten sind
schlecht. Uns sind gestern erst wieder ein paar Gesellen ohne zu
bezahlen abgehauen, die sich zuvor die Bäuche voll geschlagen
hatten.« Ullrik nickte grummelnd.
»Ja, ich verstehe. Schon gut. Aber wisst ihr vielleicht, was aus
der Shaba geworden ist? Wie ich hörte, hat der Rat jetzt wieder
das Sagen.«
Die beiden Wirtsleute sahen sich kurz an. »Nun«, brummte der
Wirt, »das Gleiche versucht wohl jeder in der Stadt gerade herauszukriegen. Ich geb’s zu, ich wollte sogar euch danach fragen.
Manche sagen, sie sitzt mit ihrem Ehemann im Kerker, andere
glauben, sie ist weit in den Westen geflohen und sammelt in
Kambrum oder im Salmland ein Heer, um gegen Savalgor zu
marschieren.«
»Was? Ein Heer?« Ullrik blickte Laura fragend an. »Das sähe ihr
aber gar nicht ähnlich.« Laura zuckte nur mit den Schultern.
Der Wirt seufzte. »Ich weiß nur eins: Die da oben machen mit
uns wieder mal, was sie wollen. Wir kleinen Leute haben nicht
mehr den geringsten Schutz gegen all die Banditen in der Stadt.
Wie die Schmeißfliegen um einen Kadaver sammeln sie sich. Die
Steuereintreiber kommen mit schwer bewaffnetem Gefolge, um
ihre Geldtruhen zu beschützen – aber wer
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