Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
müssen – Frauen, die
Wäsche hereintrugen, Männer, die arbeiteten, oder Kinder, die
irgendwo spielten. Aber alles war wie ausgestorben. Sie liefen
weiter durch das Labyrinth der Stege und Treppchen. Langsam
wurde sie müde vom vielen Klettern und wünschte sich, bald anzukommen.
Matz entdeckte die Fortsetzung des Stegs und erkundete geschickt einen Weg, über den sie dorthin gelangen konnten. Als sie
schnaufend die letzten Treppenstufen emporkletterten, waren sie
schon ganz am Rand der Savalgorer Bebauung angekommen; vor
ihnen ragte eine fast glatte, rötlich graue Felswand empor, teils
lehnten sich die Häuser sogar daran an. Matz deutete auf einen
Einschnitt direkt westlich von ihnen und winkte ihr. Noch einmal
ging es über eine Leiter und eine Treppe hinauf, dann standen sie
auf einem luftigen Brettersteg, der an der Felswand entlang führte, gut versteckt in einer schmalen Schlucht hinter der letzten
Häuserreihe.
Alina wischte sich schwer atmend eine feuchte Haarsträhne aus
der Stirn. Auch Leandra und Hellami waren damals bei eiskaltem,
regnerischem Wetter nach Savalgor gekommen, über den Fels
des westlichen Monolithen, und wenn, Hellami nicht übertrieben
hatte, wären sie ein paar Mal beinahe abgestürzt. 200 Ellen über
die steile Wand des Felsens in die Tiefe. Alina blickte missmutig
zum Himmel auf. Sie würde Recht behalten – es sah nach mehreren Tagen schlechten Wetters aus. »Ein Seil«, erinnerte sie Matz.
»Wir brauchen unbedingt ein Seil.«
Er nickte. »Ja, Shaba. Ich bring dich erst mal aus dem Wetter
weg, ja?«
Es freute sie, dass er sich so sehr um sie sorgte. Schon eilte er
wieder voran, doch der Weg endete bald. Am Ende des Bretterstegs, etwas versteckt unter einem Überhang, befand sich eine
schwere Holztür. Die Stelle, an der sich der Riegel hätte befinden
müssen, war zersplittert und notdürftig repariert. Matz zögerte
nicht lange, griff in die Ritze zwischen Holz und Fels und zog
zwei-, dreimal kräftig. Mit einem reißenden Geräusch gab das
Holz nach. Die Tür klappte nach außen auf und vor ihnen erstreckte sich ein dunkler Gang, der schräg abwärts in die Tiefe des
Felsens hineinführte. »Das muss es sein!«, sagte Matz.
Alina nickte. »Ja. Ganz sicher. Kannst du ein Seil besorgen? Und
eine Fackel?«
»Klar, mach ich!« Er schob sie hinein, nickte ihr zu und sagte:
»Wart hier. Bin gleich wieder da!« Dann klappte die Tür zu und
sie stand allein in der Dunkelheit. Wieder einmal allein.
Sie öffnete noch einmal kurz die Tür, sah ihm hinterher, wie er
über den regennassen Steg verschwand, und suchte dann in der
hereinfallenden Helligkeit nach einem Platz, wo sie sich setzen
konnte. Leider gab es nur rötlich grauen, steinernen Boden. Es
sah so aus, als wäre hier vor langer Zeit einmal ein schmaler,
natürlicher Gang von Menschenhand erweitert worden. Seufzend
setzte sie sich im Schneidersitz direkt neben der Tür nieder und
ließ sie wieder zufallen. Eine Weile starrte sie die hellen Ritzen an,
durch die ein wenig Licht hereinfiel, und überlegte, was sie in der
Zwischenzeit tun könnte. Ihre Gedanken flogen zurück zu dem
Moment, da sie zu den Drakkenschiffen aufgeblickt hatte. Was
war das für ein Einfall gewesen, den sie da gehabt hatte? Etwas
Ähnliches hatte sie schon in Träumen erlebt, als sich einzelne
Gedanken wie Mosaiksteine zusammengefügt und plötzlich zur
Lösung eines Problems geführt hatten, mit dem sie am Abend
zuvor noch sorgenvoll zu Bett gegangen war. Angestrengt überlegte sie, kam aber nicht darauf.
Nach einer Weile fragte sie sich, wo Matz blieb. Vielleicht war es
gar nicht so leicht, irgendwo ein Seil aufzutreiben. Würden sie es
überhaupt schaffen, an einem Seil die Felswand hinunterzuklettern? Sie vielleicht schon, aber Matz? Er war ziemlich dick. War
die Felswand an dieser Stelle tatsächlich 200 Ellen hoch? Sie begann sich Sorgen zu machen.
Eine weitere halbe Stunde später war Matz immer noch nicht
zurückgekehrt. Alina wurde von furchtbarer Unruhe gequält. Dann
fielen ihr wieder die beiden Drakken ein, die ganz offensichtlich
auf der Jagd nach ihr gewesen waren. Angstvoll erhob sie sich
und öffnete vorsichtig die Tür. Draußen regnete es weiterhin und
es war dunkler geworden. Lag das am Wetter oder begann tatsächlich schon die Dämmerung? Ein Blick über die nassen Planken
des Bretterstegs hinüber zur Häuserschlucht zeigte nichts – kein
Matz war in Sicht. Was sollte sie nun tun – hinuntergehen und
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