Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
über
ihnen ein Drakken. Sie konnten ihn durch die Ritzen und Zwischenräume gut erkennen, und an seiner Körperhaltung war
leicht zu sehen, dass er nicht auf Patrouillengang war.
Er war auf der Jagd.
Alina legte einen Finger auf den Mund und gab Matz ein Zeichen, keinen Laut von sich zu geben. Der Drakken huschte dort
oben eine Weile herum, dann erschien ein zweiter, mit dem er
sich offenbar kurz verständigte. Danach trennten sich die beiden
wieder – kurz darauf war keiner von ihnen mehr zu sehen.
»Verdammt, wie konnte ich nur so blöd sein!«, flüsterte sie.
Matz sagte nichts, aber dass sie ihm eine Erklärung geben
musste, lag in der Luft.
»Der Rote Ochs!«, flüsterte sie. »Rasnor weiß, dass ich auf der
Flucht bin. Er wird die Orte in der Stadt bewachen lassen, zu denen ich gehen könnte. Die Ausgänge der Katakomben, den Tunnel nach Torgard, das Ordenshaus vielleicht… aber ganz sicher
den Roten Ochsen!«
Matz nickte. Er überlegte eine Weile. »Ich glaub, ich könnt ‘nen
Weg hintenrum finden. Hoch zum Steg, aber nicht durch den
Ochsen. Würd’ das gehn?«
Nun zeigte er Phantasie. »Ja! Das wäre fabelhaft.
Aber… wir müssen trotzdem aufpassen. Ich weiß nicht, ob Rasnor von dem Weg weiß, auf dem Leandra damals in die Stadt gekommen ist.«
Matz nickte. Eingehend studierte er die Umgebung und erhob
sich dann. Er ging ein Stück, sah sich nochmals um und winkte
ihr. Sie folgte ihm.
18
Übermacht
Als sie ihr Versteck verließen, fing es an regnen – so als wollte
sich der Himmel über der Welt dem Jammer und den Klagen eines gepeinigten Volkes anschließen. Der kühle Wind, der aufgekommen war, versprach schlechtes Wetter für die nächsten Tage.
Matz führte sie in einem weiten Bogen um den Block des Roten
Ochsen herum auf die andere Seite der Gasse. Dies hier war sein
Viertel, hier kannte er jeden Steg und jede Treppe. Anders hätten
sie es vielleicht nicht geschafft. Denn in diesen Nachmittagsstunden zogen die Drakken ihren Würgegriff um die Stadt mit aller
Macht zu. Unablässig wurden Gruppen von Männern und Frauen
abgeführt; zweimal fand ganz in ihrer Nähe ein Zusammentrieb
statt und die Kommandorufe der Drakken wie auch die Klagen der
Gepeinigten waren weithin zu hören. Es waren Stunden des
Schreckens, und Alina und Matz duckten sich so tief in die Schatten, wie sie nur konnten.
Als sie am höchsten Punkt des Weges durch nasses Balkenwerk
auf einen schmalen Brettersteg kletterten, konnte Alina fast die
gesamte Stadt überblicken, bis hin zum Reichenviertel, das ganz
auf der anderen Seite im grauen Dunst unterhalb des östlichen
Monolithen lag. Aus diesem Blickwinkel war der Stadt nur wenig
davon anzusehen, was sich derzeit innerhalb ihrer Mauern abspielte.
Stimmt nicht ganz, korrigierte sie sich, als sie den Blick in die
Höhe wandte. Dort oben, eine halbe Meile über den Dächern der
Stadt, unter den grauen Wolken, schwebten Drakkenschiffe. Es
waren ein gutes Dutzend, eines davon riesig groß. Sie verharrten
regungslos in der Luft und ihre mächtigen Metallleiber schimmerten nass herab. Vermutlich sollten sie den Machtanspruch der
Drakken für jeden Bewohner der Stadt zu jeder Zeit sichtbar machen.
Für einen seltsamen Augenblick überkam Alina plötzlich eine
Ahnung, gerade so, als ob dort oben eine Idee für die Lösung ihrer Probleme läge. Aber sie konnte den Gedanken nicht fassen
und musste sich im nächsten Moment auf ihren Halt auf dem rutschigen Steg konzentrieren. Als sie wieder sicher stand, fragte sie
sich verwundert, was ihr da in den Sinn gekommen war, und
musterte noch einmal die Drakkenschiffe am Himmel. Aber sie
kam nicht mehr darauf.
Matz führte sie weiter. Nach einigen bangen Minuten stiegen sie
schließlich wieder in die Sicherheit der schmalen Schluchten zwischen den Häusern hinab.
Angestrengt schnaufend nickte er nach links. »Das da ist der
Rote Ochs. Die Rückseite. Siehste die Brücke da, Shaba?« Er deutete auf einen feucht glänzenden Steg, der wie eine Brücke mitten in der Rückwand des Gebäudes bei einer Tür ansetzte und
von dort in westlicher Richtung zwischen zwei Häusern verschwand. Das linke von ihnen stand bereits auf sich aufwölbendem, felsigem Grund – dort begann der westliche Monolith. »Wir
müssen uns von hier aus ‘nen Weg da rüber suchen. Aber wir
finden schon was. Wie’s dahinter weitergeht, weiß ich nicht.«
Alina musterte die Gassen und Hinterhöfe in der Umgebung.
Normalerweise hätten hier Menschen sein
Weitere Kostenlose Bücher