Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Freiheit
sein! Und Tirao war bei ihr! Benni, von ihrer Aufregung angesteckt, sprang an ihr hoch. Er war ein großer Hund, reichte ihr
aufgerichtet fast bis zum Gesicht. Sie umarmte ihn, wie er war,
und sagte voller Begeisterung zu ihm: »Beim Felsenhimmel –
jetzt weiß ich, was wir tun! Wir suchen Roya! Sie ist…« Alina zögerte.
Ein dunkler Schatten wollte sich plötzlich über ihre Idee legen.
Sie wusste nur sehr vage, wo Roya sich aufhielt. Aber sie drängte
ihre Bedenken verbissen beiseite. »Ich finde sie!«, sagte sie entschlossen zu Benni. »Sie muss irgendwo im Südramakorum sein!
Bei der Mündung eines unterirdischen Flusses, der unter dem
Hauptkamm hindurch fließt! Das hat Leandra erzählt.
Roya pflegt einen verletzten Feuerdrachen – und Tirao ist bei ihr
geblieben!«
Benni kläffte ihr mitten ins Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen und ließ ihn los. Es war der größte Hoffnungsschimmer, seit
Victor doch noch zur Hochzeit erschienen war. Sie wusste, dass
es eine Menge Ungewissheiten gab: Würde sie die Stelle finden
können? War dieser Ort überhaupt erreichbar, wenn man nicht
fliegen konnte? Und wie lange würde Roya dort bleiben? Wie lange benötigte ein verletzter Drache Hilfe, bis er wieder fliegen
konnte? Etwa eine Woche war vergangen… Es mochte sein, dass
Roya längst wieder unterwegs war.
Doch dann fiel ihr noch etwas ein – und das schien ihr Vorhaben
auf jeden Fall zu einem lohnenden Ziel zu machen, selbst wenn
sich die Suche nach Roya als über die Maßen schwierig erweisen
sollte. Ulfa!
Alina hatte den kleinen Baumdrachen bei ihrer Hochzeit selbst
gesehen, hatte seine machtvolle Aura gespürt. In ihm steckte der
Geist des Urdrachen, er war ein übernatürliches Wesen, ein Beschützer der Höhlenwelt! Wenn sie Roya finden konnte, dann fand
sie auch Tirao. Mit Tiraos Hilfe gab es bestimmt eine Möglichkeit,
an Ulfa heranzukommen. Und wenn der kleine Drache tatsächlich
der Beschützer der Höhlenwelt war, dann musste er einen Rat
wissen! Sie nickte Benni zu. »Das werde ich tun!«, sagte sie entschlossen. »Morgen, ganz früh, breche ich auf! Ich werde Roya
und Tirao finden – und wenn es Jahre dauert!«
20
Benni
In dieser Nacht konnte Alina vor lauter Unruhe kaum schlafen.
Vorsichtshalber hatte sie einen Schlafplatz in der Scheune gewählt und sich einen Fluchtweg nach hinten heraus offen gehalten. Vielleicht kamen regelmäßig Drakkenpatrouillen vorbei, um
den Hof zu überprüfen. Der größte Teil ihrer Unruhe aber rührte
von ihrem Vorhaben her, nach Roya zu suchen, und von all den
Dingen, an die sie denken musste. Noch am Abend war ihr die
Idee gekommen, sich eines der Pferde zu nehmen – das würde
ihre Reisegeschwindigkeit wesentlich erhöhen. Wenn sie eines
konnte, dann war es Reiten. Als gewissermaßen »höhere Tochter« war es Pflicht für sie gewesen, die Reitkunst zu erlernen.
Darüber hinaus besaß Alina eine gute Bildung. Ihre Mutter hatte
darauf Wert gelegt und sie konnte auf Jahre unter der Obhut von
Gelehrten und Magistern zurückblicken, die ins Haus gekommen
waren, um ihr etliches über die Wissenschaften, die Literatur, die
Mathematik und auch die Geografie beizubringen. Sie hatte ein
recht gutes Bild ihres Landes im Kopf.
Die westliche Handelsstraße führte von Savalgor aus durch das
südakranische Hügelland in Richtung Tulanbaar. Sie würde sehen,
ob sie diesen Weg nehmen konnte, denn dort mochte es Drakken
geben. Aber sie erinnerte sich an den Verlauf des Alten Weinwegs, der vor Jahrhunderten eine wichtige Verbindung nach Westen gewesen war. Er hatte an Bedeutung verloren, nachdem die
Städte Mittelweg und Tharul aufgeblüht waren und viele Händler
und Reisende in ihre Richtung zogen. Es mochte sein, dass der
Alte Weinweg heute verfallen und verwildert war, aber so lange er
ihr als Weg dienen konnte, war es ihr gerade recht, dass sie abseits der großen Straßen das Land durchquerte. Er führte entlang
der Morne in Richtung Villtal und von dort über zahlreiche Dörfer
nach Sollgor und ins Rebenland. Irgendwann würde sie der Abtei
von Hegmafor ziemlich nahe kommen; wenn sie ins südliche Ramakorum vordringen wollte, musste sie dort vorsichtig sein.
Hegmafor war wahrscheinlich ein Stützpunkt der Bruderschaft.
Hatte sie die Vorberge des Ramakorums erreicht, würde es gewiss noch schwieriger werden, denn das Gelände dort war unwegsam. Sie besaß keine Kenntnisse darüber, wie weit die gangbaren Wege ins Ramakorum
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