Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
hineinreichten. Sicher würde sie dort
erheblich langsamer vorankommen. Aber vielleicht gelang es ihr
auch, unterwegs vorsichtig Informationen zu sammeln. Möglicherweise erfuhr sie etwas über den Verbleib von Roya – sofern
sie sich nicht mehr an der Mündung des unterirdischen Flusslaufs
aufhielt.
Alina überschlug ihren Zeitbedarf im Kopf. Die braunweiße Stute
schien gut in Form zu sein, und wenn sie ein flottes Tempo anschlug, würde sie es, sofern sie nicht in Schwierigkeiten geriet, in
etwa fünf Tagen bis ins Rebenland schaffen können. Von dort
dauerte es einen weiteren Tag bis zu den Vorbergen, wobei sie in
die Nähe von Hegmafor geriet. Aber sie würde stets dreißig oder
vierzig Meilen zwischen sich und der alten Abtei lassen können,
das war hoffentlich genug. Doch wie lange sie anschließend brauchen würde, wusste sie nicht. Es kam darauf an, wie tief im Gebirge dieser unterirdische Fluss lag und ob er einigermaßen leicht
zu finden war. Und dann stellte sich noch die Frage, wie weit sie
die Wege in den Bergen zu Pferd nutzen konnte.
All diese Gedanken bescherten ihr eine unruhige Nacht. Plötzliche Skrupel überkamen sie, ob sie wirklich eines der Pferde nehmen konnte. Das war in noch höherem Maße Diebstahl, als sich
mit Kleidern und Nahrung zu versorgen. Doch dann sagte sie
sich, dass sie die Herrscherin von Akrania war und dass sie ihre
Tat zum Nutzen des Landes beging. Letztlich war sie selbst die
höchste Richterin. Bei dem Gedanken, sich selbst zu einem Jahr
Kerker zu verurteilen, musste sie leise auflachen.
Kaum drang am nächsten Morgen erste Helligkeit durch die
Sonnenfenster in die Welt, war sie auf den Beinen. Sie suchte sich
eine Schlafdecke, einen weiteren Satz Kleidung und ein wenig
Verpflegung sowie ein paar andere nützliche Dinge zusammen.
Anschließend sattelte sie die Stute. Das andere Pferd, eine weitere Stute, braun und etwas kleiner, verfolgte Alinas Tun mit traurigen Blicken. Alina überlegte, ob sie vielleicht beide Pferde mitnehmen sollte. Zuerst entschied sie sich dagegen, um weniger
Ballast bei sich zu haben, dann aber kam sie auf die Idee, das
zweite Pferd unterwegs zu verkaufen. Sie benötigte Geld für Nahrung – und vielleicht eine Waffe. Endlich war sie so weit. Sie führte die beiden Pferde hinaus auf den Hof und kletterte entschlossen in den Sattel der Stute. Benni stand daneben und blickte betroffen zu ihr auf. Alina seufzte.
Sie stieg wieder ab, kniete sich zu ihm hin und nahm seinen
Kopf zwischen beide Hände. Er winselte leise. »Ich muss nun gehen«, sagte sie. »Danke für alles. Du hast mir sehr geholfen,
Benni!« Sie küsste ihn auf die Stirn.
Wieder winselte er. Manchmal, so dachte sie, wäre es besser,
wenn Hunde nicht so empfindsam wären. Sie spürten es einfach,
wenn jemand ging, und die Art und Weise, wie ein Hundegesicht
Schmerz oder Traurigkeit ausdrücken konnte, erleichterte einem
den Aufbruch keinesfalls.
»Ich muss mich beeilen! Schnell reiten, verstehst du? Da
kommst du nicht mit! Außerdem gehörst du hierher, musst den
Hof bewachen – bis deine Leute wiederkommen.«
Sie sah schon, dass er nicht einfach hier bleiben würde. Also
würde sie gleich zu Beginn ein scharfes Tempo anschlagen, damit
er zurückfiel und schließlich wieder von selbst zurückkehrte. Es
half nichts – sie hatte etwas Wichtiges vor und musste sich beeilen.
Sie kletterte in den Sattel, überprüfte die Länge der Leine zu
dem zweiten Pferd und schnalzte mit den Zügeln. Dann winkte sie
Benni ein letztes Mal zu, steuerte ihr Pferd auf den Weg und
wandte sich nach Westen, wo ein kleiner Fuhrweg in den Wald
hinein führte. Sie wollte erst einmal fort aus der unmittelbaren
Umgebung von Savalgor. Erwartungsgemäß folgte ihr der Hund,
aber als sie nach einem kurzen Ritt durch den Wald freies Grasland erreichte, lenkte sie ihre Stute in Richtung eines Tals zwischen zwei großen Stützpfeilern im Nordwesten und trieb sie zu
gestrecktem Galopp an.
*
Um die Mittagszeit war Benni immer noch bei ihr. Er hielt mühelos mit dem Galopp der Pferde mit, lief häufig sogar voraus, als
wollte er das Umland erkunden, und einmal erlegte er sogar,
ganz nebenbei, ein weiteres Kaninchen. Alina nahm es ihm ab
und beschloss, einen ernsthaften Versuch zu machen, es auszunehmen und über einem Feuer zu braten. Zündstein und Glimmpulver hatte sie im Haus gefunden und mitgenommen.
Als sie die Pferde einmal eine Strecke im Trott zurücklegen ließ,
rief sie zu Benni
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