Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
hinab: »Du willst also ernsthaft bei mir bleiben?«
Er lief hechelnd und mit hängender Zunge neben ihr her und
kläffte sie an.
»Ist vielleicht gar keine schlechte Idee!«, rief sie ihm zu. »Aber
du musst mich beschützen. Wirst du das tun?«
Wieder kläffte er. Sie war verwundert über die Intelligenz des
Tieres. Er dürfte wohl kaum ihre Worte verstanden haben, aber
dass es eine Frage gewesen war, hatte er an der Satzmelodie
erkannt. Plötzlich gefiel ihr die Idee, Benni bei sich zu haben. Er
konnte tatsächlich für sie auf die Jagd gehen, und wenn er täglich
ein Kaninchen fing, würde sie niemals hungern müssen. Ein weiteres für sich selbst und dazu noch ein paar Beeren und Nüsse,
die sie für sich selbst sammeln konnte, und sie würden überleben
können. Der Gedanke, dass er sie tatsächlich verteidigen würde,
war ebenfalls nicht abwegig. Auch ein freundlicher Hund wie Benni war sicher klug genug, um unterscheiden zu können, wann er
sein Schwanzwedeln lieber durch ein Zähnefletschen ersetzen
sollte. Alina spürte an diesem Morgen neue Zuversicht. Dafür,
dass sie vorgestern Abend einen Hundert-Ellen-Sturz überlebt
hatte, ging es ihr recht gut. Außer den Gliederschmerzen spürte
sie nur noch einige Prellungen und Schürfwunden, aber die waren
auszuhalten. Sie hatte so unendlich viel Glück gehabt, auch als
Benni sie gefunden hatte, dass sie abermals dachte, dies müsste
etwas bedeuten. Irgendeine Macht des Schicksals schien ihr helfen zu wollen. Steckte vielleicht der geheimnisvolle Ulfa dahinter?
Sie hatten nun schon mehrere Wälder durchquert und waren
über Hügel mit braunem Steppengras und durch schattige Täler
zwischen Stützpfeilern geritten. Alina erinnerte sich an einen Rat,
den sie während ihrer Schuljahre von einem ihrer Lehrer erhalten
hatte: Besitzt man keinen Kompass, kann man die Himmelsrichtung feststellen, indem man den Lichteinfall durch die Sonnenfenster beobachtet und ihn ins Verhältnis zur Tageszeit setzt. Diese Methode war zwar etwas ungenau und änderte sich auch mit
den Jahreszeiten, aber im Augenblick hatte sie keine andere Wahl
und würde damit zurechtkommen. Dann entdeckten sie ihr erstes
Dorf.
*
Es war ein seltsam bläuliches Schimmern im Sonnenlicht, das
sie aufmerksam machte. Das Dorf lag auf einem felsigen Hügel im
Vordergrund eines ausgesprochen schiefen Stützpfeilers, der
trunken dem Felsenhimmel entgegenstrebte und den Betrachter
fürchten ließ, er werde gleich umkippen. Alina wunderte sich, von
ihm oder dem Dorf noch nie gehört zu haben. Meist waren solche
kuriosen Pfeiler weithin bekannt. Das Schimmern jedoch, das wie
eine eigene kleine Sonne ins Land fiel, war noch ungewöhnlicher.
Sie kannte kein Ding, von dem ein so starkes Leuchten ausgehen
konnte, höchstens von einer Wasserfläche, die das Sonnenlicht
reflektierte, aber dies kam hier nicht infrage. Als sie schließlich
mehrere Dächer erkennen konnte, wurde ihr klar: es musste von
der metallenen Hülle eines Drakkenschiffe stammen. Eines Drakkenschiffs, das in dem Dorf gelandet war. Sobald sie sich dem
Hügel näherte, sah sie ein großes Schiff, das in unmittelbarer
Nähe der Häuser stand. Sie brachte das Pferd zum Halten.
Ihr Herz pochte dumpf. Unruhig sah sie sich nach einer Deckung
um. Hier gab es nur Steppengras, niedrige Büsche und ein paar
Geröllbrocken. Benni hob schnuppernd die Nase; selbst der Hund
schien zu spüren, dass es hier etwas Ungewöhnliches gab. Alina
überlegte, ob sie trotz der Gefahr das Dorf aufsuchen sollte. Womöglich war jetzt jedes Dorf im Land von den Drakken besetzt,
und dieses Dorf zu meiden hieß, alle Dörfer meiden zu müssen.
Vielleicht aber würde sie es betreten und unbehelligt wieder verlassen können; die Drakken konnten schwerlich das Land unter
Kontrolle halten, wenn sie das gesamte Alltagsleben unterbanden.
Die Leute mussten Güter für ihre Bedürfnisse erzeugen und mit
ihnen Handel treiben können, sonst würde den Drakken die Aufgabe zufallen, das Volk zu ernähren. Das jedoch war eine Aufgabe, die sie unmöglich bewältigen konnten.
Dennoch war es ihr zu gefährlich. Bennis verlassener Bauernhof
mochte bedeuten, dass die Drakken alle kleinen Siedlungen außerhalb der Dörfer entvölkerten, möglicherweise verfuhren sie
auch mit einsamen Wanderern so. Vielleicht gab es sogar ein Reiseverbot, wie schon unter der Duuma. Eine Fremde wie sie wurde
womöglich auf der Stelle festgenommen, wenn sie ein Dorf betrat. Eine Meile
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