Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Zuversicht erfüllt.
»Ja, Shaba!«
»Dann halte durch. Und vergiss nicht: Erzähle niemandem von
mir.«
Wieder nickte er. Alina winkte ihm kurz zu, wandte sich um –
und stieß beinahe mit einem Drakken zusammen.
»Fünfzig Folint sind ihm zu teuer, diesem Geizhals!«, maulte sie
das Echsenwesen an. »Da geh ich lieber woanders hin!«
Der Drakken trat beiseite und ließ sie passieren.
Sie führte ihre beiden Pferde mit forschen Schritten in Richtung
der Straße, die vom Dorf wegführte; Benni folgte ihr. Als sie die
Dorfgrenze überschritt, schwoll von Westen her ein Jaulen in der
Luft an, und eine Minute später sank drüben bei den Drakkenschiffen ein drittes herab.
22
Reise in die Vergangenheit
Leandra blickte aufs Meer hinab, auf die im Licht der Sonnenfenster glitzernden Wellen. Nein, so schön wie auf einem Drachenrücken fühlte es sich nicht an, obwohl es viel bequemer war.
Hier in diesem kleinen Drakkenschiff war es warm und es
herrschte nicht der kleinste Luftzug. Heute waren ihre Kopfschmerzen wie weggeblasen. Cathryn war in Savalgor geblieben,
Rasnor hatte darauf bestanden. Leandra hatte er die freie Entscheidung überlassen, ob sie mitkommen wollte – auf seine Reise
in die Vergangenheit, wie er es bedeutungsvoll genannt hatte.
Einen ganzen Tag lang hatte sie mit sich gerungen, seiner Wichtigtuerei nicht nachzugeben, dann aber hatte ihre Neugierde gesiegt und sie hatte zugesagt. Was genau er ihr zeigen wollte, hatte er nicht verraten wollen, aber sie würde staunen, hatte er angekündigt, so etwas hätte noch nie ein Mensch vor ihr zu Gesicht
gekommen – abgesehen natürlich von ihm. Sie würden fliegen,
sehr weit, eine lange Reise nach Westen und dann noch in eine
andere Richtung. Mehr hatte sie nicht erfahren. Eine schreckliche
Situation. Mit so etwas konnte man ihr nächtelang den Schlaf
rauben. Sie redete sich ein, dass es nur zu ihrem Besten war,
zum Besten ihrer selbst und des Landes, denn eine Hoffnung
musste genährt werden, benötigte den fruchtbaren Boden des
Wissens und neuer Erkenntnisse. Auch wenn es nach außen hin
so aussehen mochte, als machte sie gemeinsame Sache mit dem
Verräter Rasnor. Sie hoffte, keiner ihrer Freunde würde ihr das
zutrauen. Wieder sah sie hinaus aufs Meer, das friedlich in der
Abendsonne dalag. Noch immer war ihre Welt eine schöne Welt,
und sie war es wert, dass man für sie kämpfte. Rasnor saß diesmal bei ihr hinten; es waren nur zwei Drakken dabei, sie saßen
vorn im Flugschiff, von wo aus es gesteuert wurde. Draußen flog
in der Ferne eine kleine Sippe Sturmoder Felsdrachen vorbei.
Leandra schenkte ihnen sehnsuchtsvolle Blicke.
»Ich kann Drachen nicht leiden«, sagte Rasnor. »Sie sind mir
unheimlich, diese riesigen Bestien.« Sie starrte ihn verständnislos
an. Ihr war bewusst, dass er mehr als nur Bewunderung für sie
empfand; dafür aber, dass er eigentlich auf der Jagd nach ihrer
Zuneigung sein müsste, benahm er sich bemerkenswert dumm.
Er hätte eigentlich wissen sollen, dass sie die Drachen liebte. Diese Wesen in ihrer Gegenwart als unheimliche Bestien zu bezeichnen, die er nicht leiden könne, war schon außergewöhnlich dämlich. Sie sagte ihm das auch. Rasnor aber gab sich unbeschwert,
so als würde das, was er ihr zu zeigen hatte, ohnehin alles andere
fortwischen.
»Wohin fliegen wir denn nun?«, fragte sie missgestimmt. »Ist
das Geheimnis so groß?« Endlich geruhte er, sie aufzuklären.
»Zur Säuleninsel«, erklärte er und warf ihr einmal mehr sein lächerliches Grinsen zu. »Das ist der Hauptstützpunkt der Drakken.
Weit draußen im Akeanos, westlich von Akrania.«
Mit unbewegter Miene registrierte Leandra diese wertvollen Informationen und prägte sie sich ein. Wie konnte ein Mensch nur
so unvorsichtig und dumm sein?
Überheblichkeit, dachte sie. Er zweifelte keinen Augenblick
mehr daran, dass er und seine Drakkenkumpane gesiegt hatten.
Vielleicht stimmte das ja auch. Aber es wäre nicht das erste Mal
im Lauf der Geschichte dieser Welt, dass sich das Unmögliche in
das Mögliche verwandelte, nur weil jemand die Hoffnung nicht
aufgab. »Und was tun wir dort?«
Rasnor deutete in die Höhe. »Ich habe dir doch gesagt, wir
würden von unserem Ziel aus gesehen noch eine weitere Richtung einschlagen.« Leandra starrte seine Fingerspitze an und ihr
wurde heiß und kalt zugleich.
Rasnor schob die Hand in die linke Innentasche seiner Weste
und holte ein gefaltetes Blatt hervor. Leandra erkannte es augenblicklich.
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