Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
etwas.« Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, nicht Millionen. Es ist,
wenn ich das richtig verstanden habe, ziemlich genau fünftausendfünfhundert Jahre her. Vielleicht ein paar mehr oder weniger.«
Sie legte die Stirn in Falten. »Was meinst du mit Entstehung?
Dass die Höhlen vorher leer waren?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein – sie waren noch gar nicht da!
Nur fester Boden. Sie sind zu dieser Zeit erst entstanden.«
Das verwirrte sie. »Wirklich? Und wie?«
»Durch einen Krieg.«
»Einen Krieg?«
Er nickte. »Ja. Die Menschen, die damals auf der Oberfläche der
Welt lebten, müssen viel, viel fortschrittlicher gewesen sein als
wir. Und viel zahlreicher. Sie lebten in einzelnen Ländern, über
die ganze Oberwelt verteilt. Und natürlich gab es ständig Streit
und Krieg.«
Leandra ließ einen spöttischen Laut hören.
»Wenigstens waren sie nicht auch noch besser als wir.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, im Gegenteil. Eines Tages brach
ein furchtbarer Krieg aus.« Er deutete auf Leandras Büchlein.
»Die Gründe dafür stehen auch da drin, aber davon konnte ich
beinahe jedes zweite Wort nicht übersetzen. Es muss sich um
Dinge gehandelt haben, die damals geläufig waren, für die es
aber in unserer heutigen Sprache keine Wörter gibt. Wie ich
schon sagte, sie müssen viel, viel fortschrittlicher als wir gewesen
sein.«
»Und was passierte in diesem Krieg?«
»Sie hatten Waffen, die entsetzlich heiße Brandherde entfachten. Es waren Geschosse, die hunderte von Meilen durch die Luft
fliegen konnten, dann irgendwo aufschlugen und ein Feuer auslösten.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was für
eine Art Feuer das gewesen sein soll – es mutet fast an wie Magie. Es soll so unvorstellbar heiß gewesen sein, dass alles brannte. Nicht nur Holz, sondern auch Metall, Stein, selbst die blanke
Erde und sogar Wasser! Einfach alles!«
»Selbst Wasser?«
»Es muss den Stoff, aus dem die Welt selbst gemacht ist, in
Brand gesteckt haben. Sie wussten nicht, dass das passieren
würde. Es war ein kurzer, schlimmer Krieg. Danach brannte die
Welt.
An Abertausenden von Stellen. Überall dort, wo diese Geschosse
aufgekommen waren und die Brände entfacht hatten.«
Leandra kniff die Lider zusammen und legte den Kopf schief.
»Lass mich raten: Sie konnten die Brände nicht mehr löschen!«
Er lächelte. »Ja, du hast Recht. Und schlimmer noch, sie breiteten sich aus. Sie wurden immer größer. Erst eine Viertelmeile im
Durchmesser, nach drei Tagen schon eine ganze und bald darauf
drei oder fünf.«
»Aber… dann muss die ganze Welt verbrannt sein!«
»Nein, Leandra, nein. Sie erfanden etwas, um sie zu löschen. Es
funktionierte und die Brände gingen tatsächlich aus.«
Leandra seufzte erleichtert. Die Geschichte wühlte sie auf, obwohl sie sich gewiss nicht darum sorgen musste, dass diese Welt
hatte sterben müssen – schließlich befand sie sich in diesem Moment auf ihr, nein: in ihr.
»Die Menschen«, fuhr Rasnor fort, »atmeten auf. Sie glaubten,
das Ende ihrer Welt gerade noch abgewendet zu haben.«
»Etwa nicht?«
»Nein. Ungefähr eine Woche lang, so steht es in dem Büchlein,
war alles gut. Die Feuer waren innerhalb von zwei, drei Tagen
vollständig erloschen, überall auf der Welt. Aber die Brandherde
selbst – man nannte sie damals >Feuerseen< – hatten eine Eigenart, von der niemand etwas ahnte. Wie bei fast allen Seen hatte
man angenommen, sie seien weitaus breiter als tief. Aber bei den
Feuerseen war das Umgekehrte der Fall. Sie reichten meilenweit
in die Tiefe und waren meist doppelt so tief, wie sie an ihrer
Oberfläche breit waren.«
Rasnor legte eine Pause ein, Leandra wartete gebannt. »Und
dann?«
»Nun, stell dir vor, was passiert, wenn so viel glutheiße Masse
innerhalb nur eines Tages abkühlt! Auf der ganzen Welt!«
Leandra dachte eine Weile nach, kam aber auf kein Ergebnis.
»Nach einer Woche setzten Erdbeben ein«, erklärte Rasnor.
»Gigantische Erdbeben – sie umspannten die ganze Welt. Vulkane
brachen aus und die Erde brach auseinander. Und in der Tiefe
entstanden zur gleichen Zeit Höhlen. Riesige Höhlen.« Er hob die
Hände und blickte demonstrativ nach oben. Leandra starrte ihn
verblüfft an, dann aber verstand sie und begann zu nicken. »Natürlich! Etwas, das heiß ist, braucht viel mehr Platz als etwas Kaltes.«
Rasnor lächelte gönnerhaft. »Du bist klug! Woher weißt du das?
Du bist doch nur in einem kleinen Dorf aufgewachsen!«
Sie maß ihn mit einem
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