Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Alina.
»Was… was macht Ihr denn hier?«, fragte er leise.
Alina fühlte plötzlich einen riesigen Stein im Magen. Er hatte sie
in der dritten Person angeredet – das bedeutete, er wusste, wer
sie war! Wie konnte das sein? Sie hatte ihr Amt nie ausgeübt.
Er erkannte die unausgesprochene Frage, die in ihrem Gesicht
geschrieben stand, und blickte noch einmal nach rechts und links.
»Ich… ich war bei Eurer Hochzeit, Hoheit.« Sein unsicherer Blick
verriet, dass er am liebsten einen Kniefall vor ihr vollführt hätte.
»Ihr müsst Euch täuschen, guter Mann…«, stammelte sie,
merkte aber gleich, dass sie sich schon in diesem Augenblick verraten hatte. Niemals würde eine einfache Händlerin einen Zunftbruder mit derartiger Förmlichkeit ansprechen. Die Vollendung
des Missgeschicks kam, als sie sah, dass Benni den Mann
schwanzwedelnd begrüßte. Sie kannten sich. Er murmelte Bennis
Namen, warf dem Hund ein kurzes Lächeln zu und streichelte ihm
über den Kopf. Dann sah er Alina wieder an und warf ihr ein
missglücktes Lächeln zu. »Wer könnte je ein Gesicht wie das Eure
vergessen.« Seine Stimme besaß einen Beiklang von Verehrung.
Sie fürchtete einmal mehr, dass er auf die Knie fallen würde. »Ich
stand ganz nahe bei Euch, einmal nur, ganz kurz«, fuhr er mit
einem entschuldigenden Lächeln fort. »Als Euer… Bräutigam dann
doch noch endlich kam, Hoheit. Wir hatten schon alle gefürchtet…« Alina hatte die leise Ablehnung in seiner Stimme nicht
überhört, als er das Wort Bräutigam aussprach. In diesem Moment fiel alle Vorsicht von ihr ab. Eine plötzliche, schmerzliche
Sehnsucht nach Victor durchströmte sie. »Spar dir deine Missbilligung!«, zischte sie ihm zu. »Du weißt gar nicht, welchen Zwiespalt dieser Mann zu bewältigen hatte – und trotz allem noch zu
seinem Versprechen stand! Er ist ein feiner Mensch, ich vertraue
ihm und…«, sie seufzte leise, ».? und ich liebe ihn.«
Es war das erste Mal, dass sie dies aussprach, und es erschreckte sie ein wenig. Ihr Herz klopfte leise vor plötzlicher Aufregung, während der Händler einen Schritt zurücktrat und ergeben den Kopf senkte. »Verzeiht mir, Hoheit, ich wollte nicht…«
Unruhig blickte sie sich um, trat dann den verlorenen Schritt
wieder auf den Mann zu und sagte leise: »Schon gut! Sieh mich
an! Wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen!«
Er hob wieder den Kopf und blickte sie unglücklich an. Alina begann ein leichtes Missfallen an ihrer hohen Stellung zu empfinden. Der Mann hatte bei seiner Äußerung nichts Böses im Sinn
gehabt, aber seine Haltung und seine Gesichtszüge schienen in
diesem Moment ausdrücken zu wollen, dass er sich für den niedersten und gemeinsten Schurken hielt. Eine derartige Unterwürfigkeit der Leute gegenüber ihrer Person erschien ihr unangemessen und war ihr peinlich. Sie hatte nicht mit allem Recht, nur weil
sie Shaba war.
»Hilf mir!«, sagte sie flüsternd zu ihm. »Da du mich nun schon
erkannt hast – hilf mir! Was ist hier geschehen?«
Die Miene des Händlers, der offenbar gefürchtet hatte, sie würde ihn im nächsten Moment mit dem Schwert der Gerechtigkeit
niederstrecken, hellte sich ein wenig auf. »Was hier geschehen
ist?« Er hob hilflos die Schultern und sah zu den Drakkenzelten
hinüber. »Sie kamen über uns – fünf Tage ist das jetzt her. Am
Tag Eurer Hochzeit, Hoheit. Wir trafen spät abends hier wieder
ein.
Wir hatten ihre Schiffe über Savalgor gesehen, wie sie sich über
der Stadt sammelten…«
Der Mann bemühte sich um eine geschliffene Rede, was Alina
reichlich komisch vorkam. Aber sie wollte die Unterhaltung nicht
unnötig komplizieren und ließ ihn. »Wirklich? Wie hast du es noch
aus Savalgor heraus geschafft?«
Er winkte ab. »Erinnert mich nicht daran. Als wir aus dem Palast
kamen, meine Söhne und ich, sahen wir die Schiffe. Überall waren sie, von Nordwesten und Westen her kamen sie, über den Monolithen hinweg. Die Leute bekamen Angst und rannten nach allen Seiten davon. Ich wusste, dass wir versuchen mussten, so
schnell es ging aus der Stadt zu kommen. Wir hatten im Palast
diesen alten, blinden Magier gehört – was er über die Fremden
sagte. Und Gerüchte hatten wir auch schon gehört. Als ich dann
diese Schiffe über der Stadt sah, wusste ich gleich, was los war –
und dass sie nicht gekommen waren, um ihre Glückwünsche zu
überbringen.«
Alina seufzte. »Nett gesagt.«
»Zum Glück bekamen wir unsere Pferde schnell wieder zurück
und dann ritten
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