Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
draußen stand, forderte sie
auf, sich auszuziehen. »Ich soll mich ausziehen?«, keuchte sie
ungläubig.
Er nickte. »Ja, du kriegst was anderes. Los, mach schon. Ich
schau dir nicht zu.«
Er trat zu dem Einstieg und schnauzte einen der Drakken an,
ihm einen Anzug zu geben. Als er das Verlangte erhalten hatte
und sich wieder zu ihr umdrehte, stand sie immer noch da wie
zuvor. Er hatte ein weißes Bündel in der Hand. »Soll ich mich
ganz ausziehen?«, fragte sie befangen.
»Ist besser. Dieses Zeug hier taugt mehr, als man meinen
möchte. Ist auch Unterwäsche dabei.« Er lächelte leicht und
wischte sich über die schweißnasse Stirn. »Ich wünschte fast, ich
könnte meinen derben Zwirn dagegen eintauschen. Allerdings…
na ja, die Farbe, weißt du?« Alina verstand. Das Weiß schien die
Farbe derjenigen zu sein, die Sklavenarbeiten zu verrichten hatten – oder wie auch immer man das nennen musste. Sie seufzte.
Für den Augenblick half ihr nichts aus ihrer Zwangslage. Sie
mahnte sich, ruhig und geduldig zu bleiben und die Augen offen
zu halten, damit ihr ein späterer möglicher Ausweg nicht entging.
25
Yanalee
An Bord des kleinen Drakkenschiffs befanden sich noch zwei
andere „Gefangene. Der eine war ein dürrer langer Kerl namens
Jorell; er erklärte mürrisch, dass er Jäger und Fallensteller gewesen wäre, wobei er das Wort gewesen spöttisch betonte. Der andere war ein kräftiger Mann von etwa 50 Jahren mit kurz geschorenem Bart; Alina hatte den Verdacht, dass er ein Magier sein
könnte. Er hieß Cleas. Er brummte nur abweisend, als sie vorsichtig fragte, was denn sein Beruf gewesen wäre. Die beiden waren
ausnehmend schlecht gelaunt.
Sie selbst trug nun auch Weiß, es war ein Anzug, der aus einem
Stück bestand: Hose und Oberteil in einem. So etwas hatte sie
noch nie angehabt, aber sie empfand es nicht als unangenehm.
Das Material war ihr unbekannt; allein seine winzige Webstruktur
ließ den Schluss zu, dass es eine Art Stoff war. Es fühlte sich geschmeidig an und war angenehm auf der Haut zu tragen. Das
wirklich Erstaunliche daran war, dass sich Körperweite und – große ganz von selbst anpassten. Und es saß dennoch nicht hauteng,
sondern schaffte sich dort, wo sich Körper oder Gelenke beugten,
von selbst Spielraum. Auch die weiße Unterwäsche fühlte sich
angenehm an. Der Dicke hatte ihr erklärt, man könne den Anzug
ein paar Tage lang tragen, danach würde er einfach weggeworfen
und man bekäme neue Sachen. Alina empfand es als seltsam,
dass man sie mit guter Kleidung versorgte; den Begriff Sklaverei
hatte sie immer mit Schinderei, Hunger und Lumpenkleidern
gleichgesetzt. Der dicke Mönch hatte mit einem unbeteiligten
Blick zwischen Jorell und Cleas Platz genommen, die abweisend
aus den Fenstern blickten. Die beiden Drakkensoldaten saßen
etwas abseits rechts und links, zwei andere waren vorn im Flugschiff und steuerten es. Der gesamte Flug ging ohne ein weiteres
Wort vonstatten. Nur Benni, der zwischen Alinas Beinen lag, winselte von Zeit zu Zeit leise.
Alina war noch nie zuvor geflogen und hatte ohnehin nicht viel
Aufmerksamkeit für ihre Begleiter übrig. Sie reckte den Hals und
starrte mit pochendem Herzen hinaus zu den vorbeiziehenden
Flanken der Stützpfeiler. Als das Drakkenschiff seine Reisegeschwindigkeit erreicht hatte, huschte es beängstigend schnell an
den Pfeilern vorüber; Alina war sicher, dass kein Drache der Höhlenwelt so pfeilschnell fliegen konnte. Es würde wahrscheinlich
nicht allzu lange dauern, bis sie Yanalee erreichten.
Während des Fluges rückte sie immer weiter zum Fenster, und
da sich niemand darüber beschwerte, wechselte sie schließlich
den Sitz. Sie kam dabei einem der Drakken ziemlich nahe, bemühte sich aber, seinen üblen Geruch zu ignorieren. Nun konnte
sie wenigstens besser sehen. Unter ihr zog gerade ein breiter
Fluss vorüber, sie vermutete, dass dies die Blaue Ishmar war.
Gleich darauf änderte das Drakkenschiff die Richtung und folgte
dem Flusslauf nach Norden. Alina betrachtete mit Staunen die
Welt aus einer Höhe von zweieinhalb oder drei Meilen. Und dabei
bekam sie Lust, das Fliegen auf einem Drachenrücken selbst einmal auszuprobieren. Noch waren ihr die Drachen völlig fremd;
bisher war sie noch nie einem der mächtigen Wesen wirklich nahe
gekommen. Aber Leandra hatte schon so manchen Flug auf einem Drachenrücken hinter sich, und sie hatte Alina vorgeschwärmt, wie wundervoll und erhebend es sei.
Alina dachte an
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