Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Leute hatten sich dort draußen in respektvoller Entfernung versammelt. Offenbar war es den beiden
Drachen früh genug gelungen, die Anwohner zu beruhigen, dass
keine Gefahr bestand. Das Brummen des Drakkenbootes versiegte und die Tür glitt auf. Zaghaft stiegen sie aus und blieben draußen auf der Wiese nebeneinander stehen.
Eine atemlose Minute verstrich, während sich die beiden Parteien unsicher musterten. Einige Leute unterhielten sich leise, niemand der Dorfbewohner machte jedoch Anstalten, sie zu begrüßen. Doch dann endlich geschah etwas. Die junge Frau, die Alina
erkannt zu haben glaubte, war über einen schmalen Weg von
dem großen Haus an der Felswand herabgelaufen und hatte den
Landplatz des Drakkenbootes erreicht.
Sie blieb in einiger Entfernung stehen, starrte die Ankömmlinge
mit großen Augen an und stieß dann einen Laut des Unglaubens
aus. Marko sah zu Alina. An ihrem Gesichtsausdruck war abzulesen, dass die andere wirklich Roya sein musste. Mit einemmal
setzten sich beide Frauen in Bewegung und rannten aufeinander
zu. Marko hob warnend die Hände; es schien fast, als hätten die
beiden vor, sich gegenseitig umzurennen. Alina blieb plötzlich
stehen, stieß einen jammervollen Laut aus und hob ihren verletzten Arm in die Höhe. Roya konnte gerade noch bremsen. Dann
lagen sich die beiden in den Armen und quietschten geradezu vor
Freude. Marko schnitt eine Grimasse und sah kopfschüttelnd zu
Izeban. Der grinste und zuckte mit den Schultern.
»Wo, bei allen Dämonen, kommst du denn her?«, rief Roya.
Alina grinste breit. »Direkt aus Savalgor. Zugegeben – mit einigen Umwegen. Unterwegs habe ich alte Freunde getroffen. Das
hier sind Marko und Meister Izeban.«
Marko trat auf die beiden zu, knapp gefolgt von Izeban. Roya
blickte mit vor Lebendigkeit sprühenden Augen zu ihm auf. Sie
war ein zierliches Mädchen von wunderschöner Gestalt, hatte
schulterlanges schwarzes Haar und ein lustiges, strahlendes Gesicht von leicht Östlichem Zuschnitt. Ihre Bewegungen wirkten
grazil und zugleich kraftvoll; sie strahlte ein faszinierend natürliches Selbstbewusstsein aus. Er brachte ein Lächeln zustande und
streckte ihr die Hand entgegen. Roya lächelte zurück, ignorierte
seine Hand und umarmte ihn stattdessen. Kurz, sanft und herzlich. Gleich darauf tat sie das Gleiche mit Izeban.
»Willkommen in Malangoor«, sagte sie. »Gib auf dich Acht!«,
sagte Alina leise, aber laut genug, dass Marko es hören konnte.
»Er ist wegen dir gekommen! Man hat ihm erzählt, du wärest
schön und klug. Er wird dich vom Fleck weg heiraten wollen!«
Alina grinste ihn an.
Während Marko die Röte ins Gesicht stieg, wandte sich Roya mit
einem Schwung zu ihm um, dass ihre dichten schwarzen Haare
aufflogen. »Wirklich?«, fragte sie breit lächelnd. Sie boxte ihm
leicht in den Bauch. »Und? Taugst du auch was?« Die Anspielung
Alinas schien sie nicht im Geringsten verlegen zu machen. Marko
hingegen, den man nur selten in Verlegenheit ertappt hatte, wirkte ziemlich verdattert. »Ich kann gut… schießen«, sagte er und
warf Alina einen Blick zu. Ihm stand ins Gesicht geschrieben, dass
er von Roya hingerissen war. Alina lachte leise auf. Noch einmal
umarmte sie Roya und küsste sie auf die Wange. »Was bin ich
froh, dass wir dich gefunden haben!«
Inzwischen waren sie von einem Dutzend Leuten umringt. Neugierige Fragen kamen auf, wer sie seien und woher sie kämen.
Sie beantworteten die Fragen und erfuhren zugleich etwas über
das Dorf. Es war ungefähr zwei Wochen alt und gerade im Entstehen begriffen. Hier lebten ausschließlich Flüchtlinge – Leute,
die Roya und die Drachen im Land aufgegriffen und hierher gebracht hatten. Der männliche Drache war in der Tat Tirao, der
weibliche hieß Majana. Marko stellte anerkennend fest, dass Malangoor das entlegenste und best versteckte Dorf in ganz Akrania
sein musste. Etliche Leute standen inzwischen um das Drakkenboot herum und betrachteten es mit erstaunten wie auch leicht
misstrauischen Blicken. Izeban trat zu ihnen und erklärte ihnen
das Geheimnis. Trotz der allgemeinen Befangenheit schien es den
Leuten zu gefallen, dass den verhassten Feinden offenbar ein
Stück ihres Besitzes entrissen worden war. Es war letztlich eine
echte Kriegsbeute; ein hoch entwickeltes Stück Technik, das die
Hinterwäldler trotz ihrer Unterlegenheit den Unterdrückern entrissen hatten.
Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte und zahlreiche
Hände geschüttelt waren,
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