Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
brachte sie Roya hinauf zu dem großen
Holzbau an der Steilwand.
Stolz stellte sie ihn als ihr neues Domizil mit dem Namen Windhaus vor. Die Bürger von Malangoor halfen ihr bei seiner Errichtung, so wie sich hier alle gegenseitig halfen. Eine wichtige Rolle
übernahmen dabei die Drachen. Sie holten das Bauholz aus den
Wäldern weit unten aus den Tälern herauf. Immer noch gab es
zahllose offene Fragen, aber für den Augenblick wurden die drei
Ankömmlinge erst einmal versorgt und konnten sich ein wenig
ausruhen. Für den späteren Abend hatte Roya eine spontane
Willkommensfeier angesetzt. Nach Einbruch der Nacht saßen sie
gemeinsam mit allen Bewohnern des Dorfes auf dem großen, von
Fackeln erleuchteten Balkon des Windhauses. Mehrere Tische
waren gedeckt – sie boten alles, was im Dorf in so kurzer Zeit
aufzutreiben gewesen war. Neben Roya lebten hier fünfundzwanzig weitere Personen.
Vor etwa zwanzig Tagen, so erklärte Roya, als sie an dem Fluss
im Gebirge den verletzten Drachen gepflegt hatte, waren Nerolaan und seine Sippe zu ihr zurückgekehrt. Sie brachten schlechte
Nachrichten vom Überfall der Drakken und erzählten Roya, Tirao
und Majana alles, was sie erfahren hatten. Roya unternahm daraufhin zusammen mit acht Drachen einen einzigen, kurzen Versuch, zurück nach Savalgor zu gelangen, aber bei Tharul schon
sahen sie sich zur Umkehr gezwungen. Überall waren Drakkenschiffe unterwegs. Sie fanden keine Möglichkeit mehr, tiefer ins
Land vorzudringen. Auf dem Heimweg entdeckten sie dann die
erste Gruppe von Flüchtlingen – es waren elf Menschen, die in
Tharul den einfallenden Drakken entwischt waren und fast ohne
jede Habe nach Nordwesten flohen. Roya beschloss spontan, die
Leute aufzunehmen. Als die acht riesigen Felsdrachen um sie herum landeten, wären sie beinahe in alle Richtungen davongerannt, erzählte Roya.
Danach aber tauchte die Frage auf, wohin mit ihnen allen? Sie
mussten einen Ort finden, an dem sie in Sicherheit wären. Nerolaan war es, der sie schließlich hierher geführt hatte. Er war hier
aufgewachsen, seine Sippe hatte diesen abgelegenen Ort jedoch
schon vor langer Zeit verlassen. Jetzt aber erwies sich die Abgeschiedenheit als genau das, was sie brauchten. Nerolaan und seine vierzehn verbliebenen Familienmitglieder bezogen wieder diesen Pfeiler, in dem es weit oben, in vier Meilen Höhe, ein großes
Höhlensystem gab. Dort entstand gerade eine neue Drachenkolonie – so wie hier unten das Dorf der Menschen errichtet wurde.
Seither suchten sie regelmäßig die Gegend um Tharul und Hegmafor ab, um Flüchtlinge aufzulesen. Die letzten drei Leute waren
erst seit vorgestern hier.
»Dann habt ihr eine Kolonie von vierzehn Drachen?«, fragte Alina überrascht. Roya nickte. »Fünfzehn waren es, mit Tirao. Aber
inzwischen sind es schon mehr. Die Bevölkerung wächst, genau
wie unser Dorf.«
Alina strahlte Marko und Izeban an. »Seht ihr – es hat bereits
begonnen! Wir gründen eine Widerstandsgruppe gegen die Drakken!« Roya lächelte, aber es war nur ein pflichtschuldiges Lächeln. »Na ja… das ist noch ein weiter Weg«, meinte sie.
Alina merkte sofort, dass sie zu weit vorgeprescht war. Sie hob
entschuldigend die Hände. Doch bevor sie etwas sagen konnte,
sprach Roya schon weiter. »Versteh mich nicht falsch! Die Leute
hier sind nicht feige. Nein, sie sind geradezu versessen darauf zu
kämpfen! Aber ehrlich gesagt, ich mache mir Sorgen. Nur die
wenigsten von ihnen verstehen etwas davon. Es sind einfache
Leute: Handwerker und Bauern.« Alina nickte.
»Als wir vor zwei Wochen die ersten Hütten hier errichteten«,
fuhr Roya fort, »hatten wir wirklich vor, eine… wie soll ich sagen…
eine Rebellenarmee ins Leben zu rufen. Aber inzwischen versuche
ich, die Leute zu beruhigen. Ich möchte Ruhe einkehren lassen
und erst einmal zusehen, dass im Dorf alles funktioniert.« Sie sah
sich um und sprach leiser weiter. »Die meisten hier ahnen noch
gar nicht, wie weit die Drakken schon vorgedrungen sind. Sie
haben davon gehört, dass sie ihre Bergwerke errichten und in die
Dörfer eingefallen sind. Aber gesehen hat diese Dinge außer mir
selbst hier noch niemand.« Sie blickte in die dunkle Nacht hinaus,
die Stirn in Sorgenfalten. »Mir wird ganz übel vor Angst, wenn ich
mir so eine Drakkenstadt ansehe. Wenn wir jetzt damit anfangen,
Überfälle gegen die Drakken vom Zaun zu brechen, sind wir
schneller tot und vergessen, als man das Wort Widerstand überhaupt
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