Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
hier eindringen, werde ich sie mit Tritten vertreiben!« Er hob sein verletztes Bein.
Sie schluckte und starrte ihn erschrocken an. Ihre Gedanken
waren noch gar nicht so weit vorgedrungen, um in Betracht zu
ziehen, dass die Drakken in den Palast eindringen könnten. Mit
wild klopfendem Herzen wandte sie sich ab und rannte auf die
Nordtreppe zu.
Auf der Treppe kamen ihr zwei Wachgardisten entgegen. Der
eine stützte den anderen, Letzterer hatte ein blutüberströmtes
Gesicht. Sie hielt an.
»Bei den Kräften! Was ist passiert?«
Erst jetzt erkannte der Soldat sie als die neue Shaba, aber er
versuchte erst gar nicht, irgendwelche Ehrenbezeigungen zu machen. »Am Haupttor ist ein Kampf entbrannt, Shaba! Bringt Euch
lieber in Sicherheit!«
»Ein Kampf? Aber…«
Der Soldat schleppte seinen Kameraden, der Blut zu spucken
begann, weiter die Treppe hinauf. Alina starrte ihnen verwirrt
hinterher. Konnten es wirklich schon die Drakken sein? So schnell
und ohne die geringste Vorwarnung? Sie eilte weiter, erreichte die
unteren Flure, durchquerte die Große Empfangshalle und gelangte
bald darauf zum südlichen Ende des Portalgangs – einem gewaltigen, hallenartigen Korridor. Lärm, Hitze und Rauch schlugen ihr
entgegen.
Am nördlichen Ende des Portalgangs war das riesige Palasttor
zu sehen: vierzig Ellen hoch, fünfunddreißig Ellen breit und aus
einem Kreuzgittergeflecht aus Tharuler Stahl bestehend, in dessen Zwischenräumen, etwa eine Elle im Quadrat, Blöcke aus Wolodit eingepasst waren, dem härtesten Gestein, das es gab. Jedes
Savalgorer Schulkind lernte das auswendig, ehe es zehn Jahre alt
war. Das Tor stand in dem Ruf, selbst einer Legion von Magiern
widerstehen zu können.
Alina erstarrte, als sie sah, dass sein rechtes unteres Viertel
zerfetzt war, als hätte dort die Faust eines Riesen eingeschlagen.
Mindestens hundert Männer kämpften einen vergeblichen Kampf
gegen eine Macht, die von außen einzudringen versuchte – offenbar mit Feuer und gewaltigen Rammen. Die Portalhalle selbst, der
riesige Raum, der unmittelbar hinter den Torflügeln lag, war seit
alters gegen Angriffe jeglicher Art ausgebaut. Seitlich des Tores
stand ein hohes, hölzernes Gerüst von Wehrgängen, die zu mehreren Dutzend Schießscharten bis ganz hinauf unter der Hallendecke führten. Knapp hinter der freien Fläche, die sich an den Portaldurchgang anschloss, verlief ein tiefer Quergraben – kein gewöhnlicher Mensch konnte diesen Abgrund überspringen. Dahinter lagen Staffeln von breiten, steinernen Deckungsblöcken mit
Scharten für Schützen, über denen an Ketten riesige, klingenbesetzte Eisenkugeln pendelten – ein unüberwindliches Hindernis
für jeden Eindringling. Alina sah all dies zum ersten Mal in Aktion.
In Friedenszeiten konnte man es nur erahnen; alles war mit Holzplatten abgedeckt und der Graben wurde mit einer schrägen
Rampe überbrückt. Zögernd näherte sie sich der Kampfzone, die
noch etwa fünfzig Schritt von ihr entfernt lag. Es herrschten Aufruhr, Durcheinander und Geschrei; viele Männer rannten durcheinander. Das Bollwerk schien mächtig und unüberwindlich, doch
sie sah überall Tote liegen - Männer, die von Trümmerbrocken
erschlagen oder von unbekannten Geschossen getroffen worden
waren. Beißender Gestank hing in der Luft und an mehreren Stellen brannte hölzernes Barrikadenwerk. Ein schwerer Schlag ertönte außerhalb des Tores, der die gesamte Halle erbeben ließ.
Alina schrie vor Schreck auf.
Irgendein Offizier erkannte sie und schickte einen Trupp Soldaten zu ihr. Die Männer kamen gerannt und umringten sie schützend mit Schwertern und Schilden. Kurz darauf hatte auch Jacko
sie entdeckt im Laufschritt eilte er auf sie zu. Seine linke Schulter
war blutig, sein Gesicht geschwärzt und seine Augen feucht vor
Schmerz. Trotzdem hielt er sein Schwert fest in der Hand. »Jacko!«, rief sie und eilte ihm entgegen. Die Soldaten folgten ihr.
»Die Drakken!«, keuchte er und deutete mit dem Schwert auf
das Tor. »Sie sind in der ganzen Stadt! Sie töten wahllos Leute,
treiben den Rest in den Straßen zusammen. Alina, ich…«
»Was?«
»Caan ist tot. Und… Hamas auch. Munuel versuchte uns zu helfen, aber er wurde schwer verletzt. Ich habe ihn von Hellami in
Sicherheit bringen lassen, aber ich weiß nicht, ob er überleben
wird. Und… Hochmeister Jockum ist mit ein paar Leuten hinab in
die Katakomben gestiegen, um dort mögliche Eindringlinge abzuwehren. Aber es gab einen furchtbaren Kampf und
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