Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Grau und bestand aus einem
Material, das sie noch nie gesehen hatte. Sie hätte nur ihre Hand
ein wenig ausstrecken müssen, um den Stiefel zu berühren.
Alinas Herzschlag setzte aus. Sie glaubte vor Angst durchzudrehen. Das Licht begann sich suchend zu ihr herabzubewegen, dann
wehte ein seltsamer, ekelhafter Geruch über sie hinweg, ein
stumpfer Gestank wie von einem alten Menschen, der seit langem
in seinem eigenen Urin lag. Ein Würgen drohte sie zu übermannen. Als dann der Lichtkegel herabsank, warf sie nur noch den
Kopf nach vorn, drückte ihn voll Angst auf den Boden und rührte
sich nicht mehr – in panikerfüllter Erwartung der vernichtenden
Flammen aus der Waffe der Bestie.
*
Rasnor lächelte.
Vor ihm standen sie, die meisten seiner Feinde, und sein
Triumph war gewaltig.
Noch größer wäre er gewesen, hätte er die letzten beiden in
dieser Sammlung ebenfalls gehabt, aber er zweifelte kaum daran,
dass der Augenblick nicht mehr fern war. Stunden noch, höchstens ein oder zwei Tage.
Wäre er ein beherrschter Mann gewesen, einer, der Ruhm und
Glorie in delikaten Häppchen zu genießen verstand, hätte er heute vielleicht darauf verzichtet, sich dieses Häuflein seiner Gegner
vorführen zu lassen. Dann hätte er tatsächlich gewartet, bis er sie
alle hatte. Aber irgendwie ließ ihn der Wunsch einfach nicht mehr
los, sie zu sehen; vor allem aber auch, sie hier in den Shabibsgemächern, die er inzwischen zu seinem Domizil erkoren hatte,
nebeneinander aufmarschieren zu lassen, sodass sie einander
sehen und ihren Untergang so richtig spüren konnten.
Das private Empfangszimmer des Shabibs war mehr als geräumig, und es bereitete ihm diebische Freude, diesen Ort, der sicher
nur einmal im Jahr dem Empfang allerhöchster Gäste vorbehalten
war, so unverfroren für seine Zwecke nutzen zu können. Ja, der
Anlass war durchaus von gleichem Rang. Sieben Leute waren es,
die hier standen, sieben einstmals übermächtige Gegner und nun
so klein wie Mäuse, denn sie waren vollkommen in seiner Gewalt.
Darüber hinaus hatten die Drakken noch einen ganzen Sack voll
von Leuten eingefangen, die keine so wichtige Rolle gespielt hatten, aber ebenfalls zu seinen Gegnern zählten. Doch diese sieben
zu haben, das war einfach ein gewaltiger Sieg. Einen solchen
Triumph hatten weder Chast noch Sardin je erlebt.
Er saß in einem übergroßen und überweich gepolsterten Sessel,
hinter ihm ein Trupp Elitesoldaten der Drakken aus der aZhoolKaste und im Nebenraum, aber das wusste keiner seiner sieben
Gäste, die beiden Sprösslinge seiner Gegnerschaft: die niedliche
kleine Cathryn und der neugeborene Marie. Rasnor hegte keinen
Zweifel daran, dass sich die sieben hier ruhig verhalten würden,
solange er die beiden Kleinen in seiner Gewalt hatte – selbst
wenn die Welt unterzugehen drohte. Wohlgelaunt und mit
Schwung erhob er sich, spazierte nach links, wo die Reihe begann, und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Lächelnd
trat er vor den großen, finster dreinschauenden Mann, der dort
stand und Blicke wie Giftpfeile auf ihn abschoss.
»Quendras«, sagte er sanft und lächelte. »Es gab eine Zeit, da
hätte ich nicht zu träumen gewagt, dich in meiner Gewalt zu haben! Nun aber…«, er warf die rechte Hand in die Luft und machte
eine geckenhafte Geste, »bist du mein! Ich kann mit dir anstellen, was ich will!«
Quendras erwiderte nichts. Er starrte nur mit bösen Blicken geradeaus.
Rasnor schritt weiter. »Und du bist der große Jacko!«, sagte er
zum nächsten der Männer. War schon Quendras groß und mächtig vor ihm aufgeragt, so wirkte er nun gegenüber dem gewaltigen Jacko wie ein Zwerg. Er war fast eineinhalb Köpfe kleiner.
»Du wiegst sicher mehr als das Doppelte wie ich, großer Krieger!«, spottete er vergnügt.
»Und du könntest mich gewiss mit einem Muskelzucken zu Mus
zerquetschen! Aber hilft dir das jetzt?«
Er ließ die Frage offen und wechselte zur nächsten seiner Gefangenen. Es war Hellami.
»Von dir habe ich bisher nur gehört«, sagte er lächelnd. Hellami
war die Einzige hier, die ein bisschen kleiner war als er. »Dass du
so hübsch bist, wusste ich nicht.«
Sie schenkte ihm einen gelangweilten Blick. »So hübsch bin ich
gar nicht«, gab sie zurück. »Mag sein, dass dir das nur so vorkommt, weil du so ein rattengesichtiger hässlicher Zwerg bist.«
Rasnors Blick verfinsterte sich. Es dauerte nur einen Augenblick,
da holte er aus und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige,
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