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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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noch erlebt. Aber – wie ist es möglich, dass eine
Art wie wir Felsdrachen, deren Körper und Geist auf eine so lange
Existenz ausgerichtet ist, nur so… so kurz denkt?
Kurz denkt… Langsam verstand Marina, was er meinte. Die ganze Art und Weise, wie die Drachen hier in der Höhlenwelt lebten,
hätte besser zu einem Volk kleiner Mäuse gepasst: unendlich
zahlreich, anspruchslos, mit kurzer Lebensspanne und wenig
Geist…
Jetzt weiß ich, was du meinst, Nerolaan.
Eigentlich müsstet ihr euch an Ereignisse erinnern können, die
vor Jahrtausenden stattgefunden haben… ach was: vor Zehntausenden von Jahren! Ihr müsstet endlos viele alte Legenden haben, ja vielleicht sogar… Bauwerke, Städte… Städte… wiederholte
Nerolaan versonnen und starrte in die Luft.
Marina verzog das Gesicht. Städte, das machte nicht viel Sinn
bei einer Art, welche die Lüfte bevölkerte. Aber eins schien ihr
sicher: Die Drachen hätten viel mehr alte Legenden haben müssen, besonders wenn das zutraf, was Nerolaan über das gemeinsame Gedächtnis sagte.
Eigentlich müsstet ihr eine unendlich reiche und vielfältige Geschichte haben, Nerolaan. Selbst ich weiß eine Menge alter Sagen
über die Menschheit der Höhlenwelt.
Ich könnte leicht ein Dutzend Abende mit Geschichten füllen,
die mehr als zehn Generationen meines Volkes zurückliegen. Wir
lernen so etwas als Kinder – abends, wenn wir daheim in der
Stube zusammensitzen, erzählen uns die Erwachsenen davon.
Endlich wurde Nerolaan wieder ruhiger. Ja, Marina.
Seltsam, dass uns das niemals richtig bewusst geworden ist. Irgendetwas muss einst unsere Erinnerungen vollständig abgeschnitten haben.
Erinnerungen an eine frühere Zeit. An eine Vergangenheit, die
es eigentlich gegeben haben muss.
Marina blickte in die Runde. Aber… an diesen Ort kannst du dich
erinnern? Mithilfe des gemeinsamen Gedächtnisses? Nerolaan hob
den Kopf und folgte ihren Blicken. Ja, Marina. Einer von uns war
vor langer Zeit hier. Ich… ich glaube, er ist ebenso hier geflogen,
wie ich es gerade tat. Verwirrt und aufgeregt.
Sie dachte nach. Und du glaubst, dass dieser Mechanismus –
dieser Kegel – hier in der Halle einzelne Wesen voneinander trennen soll? Wozu? Nerolaan antwortete nicht gleich, sein Blick wurde wieder so glasig wie zuvor. Ich weiß es nicht, Marina. Ich weiß
nur… Was?
Nerolaan schwieg. Marina hatte den Eindruck, als schweifte sein
Geist zurück in eine ferne Vergangenheit und suchte dort nach
Antworten, die unter dem Sand der Zeit begraben lagen. Endlich
sprach er wieder; seine Stimme jedoch wirkte seltsam fern und
tonlos. Hier ist etwas. Etwas von uns Drachen ist in diesem Bauwerk verborgen, etwas aus unserer Geschichte. Ich… ich glaube,
es könnte uns viel erklären – über uns selbst.
Marina erschauerte. Sie blickte sich in der Halle um und hatte
Plötzlich das Gefühl, als lastete ein Vermächtnis der Äonen auf
dem Bauwerk. Sie fragte sich, ob es etwas gab, das ihrer beider
Vergangenheit miteinander verband, und eins schien ihr nun klar:
Diese Pyramide musste wirklich eine besondere Bedeutung haben
– für sie, für die Drachen, für diese Welt, einfach für alles. Es
handelte sich nicht nur um ein staunenswertes Meisterstück der
Baukunst aus alten Zeiten – etwas, das man respektvoll anblickte, um dann in irgendeinem Geschichtsbuch darüber zu schreiben
und es wieder zu vergessen. Nein, dieses Bauwerk war der
Schlüssel zu einigen wichtigen Geheimnissen der Höhlenwelt. Dieser Gedanke war geradezu drängend. Und es gab noch eine Vielzahl von Fragen. Dort draußen im All lebten die Drakken, und
auch sie existierten mit Sicherheit länger als die lächerlichen fünftausend Jahre, die das Universum alt zu sein schien, wollte man
sich an der über die Maßen bescheidenen Geschichte des Menschenvolks der Höhlenwelt orientieren. Was Marina im Moment
spürte, war wie eine große Woge, die auf sie zukam und sie in die
Höhe hob, um sie dann mit sich fortzutragen – an unbekannte
Gestade, wo Dinge auf sie warteten, die ihr nicht in den wildesten
Träumen eingefallen wären. Sie hatte geglaubt, als eine der
Schwestern des Windes von Bedeutung zu sein, aber das stimmte
nicht. Sie war nur ein einfaches Mädchen, das sich zusammen mit
ihren Freundinnen selbst einen kleinen Titel verliehen hatte. Bedeutungsvoll – das war dieses Bauwerk hier. Vielleicht konnte sie
ein winziges Stückchen dieser Bedeutung erlangen, wenn sie dahinter kam, worin das Geheimnis der

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