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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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staubüberwehten Straßenrändern lagen. Ihre
Färbung war leicht rötlich; es handelte sich um formlose Haufen
von kleinen gebogenen Knochen, aus denen kaum noch auf die
äußere Form ihrer früheren Besitzer zu schließen war. Dann erblickte Azrani etwas, das sie für eine Art Waffe hielt – einen sichelförmigen Streitkolben mit einer Steinkugel, die an der vorderen Spitze in einer Art Schale befestigt war. Eine primitive Waffe,
wie es schien. An einer anderen Stelle fand sie Überreste eines
stachelbesetzten Knüppels und bald darauf zwei gebogene und
gezahnte Klingen. Je mehr ihre Augen wussten, nach welchen
Formen sie zu suchen hatten, desto zahlreicher wurden die Entdeckungen. Überall in den Winkeln und Ecken der Straßen und
Häuser, verdeckt unter Sand und zu Staub zerfallenen Trümmern,
lagen Zeugnisse eines schrecklichen Krieges, der viele Opfer gefordert haben musste. Die Knochenreste waren, wenn man erst
wusste, wonach man Ausschau halten musste, ausgesprochen
zahlreich – je mehr man sich der Stadtmitte und dem Stadtpalast
näherte.
Erneut sah sie sich das kunstvolle Bauwerk an. Viele der Kuppeln waren beschädigt, Fassaden eingestürzt und die Mauern von
tiefen Rissen durchzogen; an manchen Stellen konnte sie noch
die Schwärzungen von Bränden erkennen. Je länger sie sich an
diesem Ort aufhielt, desto deutlicher entstand das Bild eines brutalen Krieges vor ihren Augen. Hier in der Stadtmitte mussten
sich wahre Massen gegenübergestanden haben, um sich gegenseitig zu vernichten. Der Stadtpalast war wuchtiger gebaut als die
Gebäude an den Rändern der Stadt, und wenn man die Einfachheit der Waffen zugrunde legte, war es geradezu beängstigend,
welche Energie hier aufgewendet worden war, um Zerstörung
anzurichten. Wände waren geborsten, der Stein der Fundamente
aufgesprengt, die Kuppeldächer wie mit riesigen Keulen eingeschlagen, und in jeder noch so kleinen Ritze lagen Knochen, zertrümmerte Knochenteile und… Schädel. Ja, Schädel waren es, die
Azrani nun ins Auge fielen, immer häufiger, und kaum einer von
ihnen war unbeschädigt. Sie waren lang gestreckt, klein, mit winzigen Mündern und zwei großen, nach vorn gerichteten Augenhöhlen. Sie wirkten, als stammten sie von Kindern, unschuldig in
ihrer Art, und doch waren die meisten geborsten, aufgesprengt,
in Stücke geschlagen. Betroffen erhob sie sich mit einem der
Schädel, der kaum größer war als ihre Hand, und starrte fragend
zu dem zerstörten Stadtpalast hinüber. Sie hatte selbst schon
genügend Kämpfe miterlebt, in ihrer eigenen Welt, aber irgendetwas sagte ihr, dass der Krieg, der hier stattgefunden hatte,
mit viel mehr Hass geführt worden war als beispielsweise der
Krieg der Höhlenwelt gegen die Drakken. Dort war es um Besitz
und dunkle Absichten gegangen, um ein Volk in verzweifelter Gegenwehr gegen kaltes militärisches Kalkül. Hier hingegen hatte
man sich aus Leidenschaft abgeschlachtet, und offenbar bis zum
letzten Mann. Der Umstand, dass die Außenbezirke der Stadt fast
unzerstört waren und man sich hier in der Mitte zur Schlacht zusammengedrängt hatte, bedeutete im Umkehrschluss, dass sich
jeder, der nicht hätte kämpfen wollen, auch nach außen hätte
zurückziehen können. Aber dort gab es keine Knochen, keine Leichen und nur geringe Schäden, die auch aus natürlichem Verfall
hätten stammen können. Azranis Blicke hefteten sich auf den
Stadtpalast. Mit bangem Herzen trat sie näher, kletterte über
Hindernisse und fand immer mehr Orte, an denen sie sich Zugang
verschaffen konnte. Endlich nahm sie sich ein Herz, zwängte sich
durch einen Riss in der Mauer und stieß bis in eine Halle vor. Im
Licht ihres schwebenden Würfels, der ihr treu folgte, fand sie den
ganzen inneren Bau mit Knochen, Skeletten und primitiven Waffen übersät vor. Im Gegensatz zu den äußeren Gebäudeteilen
waren die Innenräume mit reliefartigem Wandschmuck überladen, und Azrani erkannte an vielen Stellen die großen Figuren
wieder, die draußen in den Tälern standen. Auch sah sie verkleinerte Statuetten auf Sockeln und andere Kunstwerke, welche
diese Formen widerspiegelten; anscheinend hatten diese Pilztiere
eine Art Kult oder Brauchtum verkörpert.
Von ihrem Verlangen nach Aufklärung all der Rätsel getrieben,
zwängte sie sich durch einen schmalen Durchgang, um in eine
gewölbte Halle vorzudringen. Als sie sich dabei die linke Seite an
einem geborstenen Mauergrat stieß, blieb der Schmerz aus,

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