Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
verstört.
»Ich habe seine Gegenwart gespürt. Ich war wie gelähmt, und
ich... ich fürchte, ich... ich habe gekniffen. Ich bin geflohen. Mit
dir.«
Roya starrte ihn verwirrt an, ihre Lider flatterten, sie schien
nicht zu verstehen, was er meinte. Schließlich erklärte er es ihr,
mit zögernden Worten, einer tiefen Schuld bewusst, aber zugleich
auch im Bewusstsein dessen, dass die einzige Hilfe, die sie
Quendras hätten leisten können, der gemeinsame Tod mit ihm
gewesen wäre. Munuel zweifelte nicht mehr daran, dass Chast
Quendras getötet hatte.
»Er ist ein Gigant«, flüsterte er, von der eigenen Verzagtheit
betroffen, dennoch wissend, dass er im Grunde richtig gehandelt
hatte. »Ich habe noch nie so etwas verspürt. Eine Aura, so gewaltig wie ein Gebirge. Ich weiß nicht, aus welchem Reich der Toten
er auferstanden ist und wie. Aber seine Aura ist unverkennbar.
Ich kann sie sogar jetzt spüren.«
Roya brach in Tränen aus. »Aber vielleicht lebt Quendras noch!
Vielleicht hat Chast... Rasnor... ihn nur gefangen genommen...?«
»Wir können es nur hoffen«, sagte Munuel leise, obwohl ihm
kein Grund einfiel, warum Chast dies hätte tun sollen. Was sie
beide betraf, ihn und Roya, hätte das vielleicht zutreffen können,
nicht aber auf Quendras. Der Hass, den Chast auf seinen früheren
Vertrauten empfinden musste, der ihn verraten hatte, war gewiss
von urzeitlichen Ausmaßen.
»Er sucht uns«, flüsterte Munuel. »Er sucht uns sogar jetzt, hat
den Verdacht geschöpft, wir könnten uns hier an Bord schmuggeln wollen. Er ahnt nicht, dass wir bereits hier sind«, erklärte er
Roya.
Sie nickte stumm, mit von Tränen überströmtem Gesicht. Für
Munuel sahen sie aus wie kleine, rötlich strahlende Perlen.
»Du darfst nicht die kleinste Magie wirken, solange das Schiff
noch nicht abgelegt hat. Vor allem ich darf das nicht. Er würde es
merken.«
»Und unsere Amulette? Kann er die nicht spüren?« Munuel
schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er trägt selbst eins,
und das überstrahlt sicher die unseren, denn wir sind ein Stück
entfernt von ihm.«
Sie hörten Geräusche an einem der Schotts auf der anderen
Seite des Frachtraums, und Munuel nahm Roya und zog sie in den
Schatten eines einzelnen Containers ganz in der Nähe zurück.
Eine Tür zischte in der Dunkelheit auf und wieder zu, dann sahen sie die Gestalt Gilberts, der auf den Container zugeeilt kam.
»Munuel! Royal«, rief er mit Flüsterstimme.
Sie traten hinter dem Container hervor.
»Gute und schlechte Nachrichten«, schnaufte er und blieb stehen. Roya krallte sich an Munuel fest. Sie zitterte und schluchzte
leise.
»Die gute ist: Das Schiff ist voll, der Start steht kurz bevor, und
es sind noch über zehn Kompensationszellen frei. Wir werden die
Reise gut überstehen.«
Roya und Munuel sahen Gilbert mit grauen Gesichtern an.
Er nickte schwer. »Ich habe mit zweien meiner Brüder sprechen
können, sie fliegen ganz offiziell mit, wollen sich uns aber anschließen. Sie machen uns auch die Kompensationszellen zugänglich.«
»Nun sag schon«, forderte Munuel mit tonloser Stimme.
Gilbert holte tief Luft. »Er ist tot. Angeblich hat der Hohe Meister seinen Leichnam mit einem Schweber durch die Korridore und
Gänge geschleift und dabei gejohlt und gebrüllt. Alle an Bord sind
vollkommen entsetzt.«
Während Roya bitter schluchzte und sich an Munuel krallte, hatte dieser das Gefühl, als krampfte sich sein Herz zu einem kleinen, steinharten Etwas zusammen, das zornig Blut durch seinen
Körper pumpte. Plötzlich wuchs ein wütender Entschluss in seinem Inneren. Eines Tages, das nahm er sich fest vor, würde er
Chast noch einmal gegenübertreten. Er hatte noch keine Vorstellung, woher er die Macht nehmen sollte, diesem Monstrum begegnen zu können. Aber er würde es versuchen. Chast war zu
einem Wesen geworden, das längst nur noch in die Kategorie
Weltenvernichter passte, das glaubte Munuel spüren zu können;
und wenn niemand aufstand, um ihm entgegenzutreten, würde er
das tun.
Warnlichter flammten auf, Alarmhupen begannen zu träten, und
ein heftiges Vibrieren fuhr durch das Schiff. Es schien, als würde
ihre Flucht von der MAF-1 glücken. Fürs Erste waren sie Chast
entkommen. Aber Munuel würde den Weg zurück suchen, dazu
war er fest entschlossen.
24
Drachengöttin
Es war die Zeit der Morgendämmerung; Nebelschwaden standen
über den Wiesen, und die Sonne lugte noch nicht so recht über
den Horizont, als ein krachender
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