Hoelle auf Zeit
könnten noch heute abend fliegen, Sir, falls Sie das wünschen. Die Maschine hat Verspä tung. Eine kleine technische Panne. Mit etwas Glück dürfte es maximal eine Stunde dauern.«
Jago sah auf die Uhr. Um eins in Heathrow. Mit seinem charmantesten Lächeln sagte er: »Das ist ja wunderbar, Made moiselle. Wie ihr Franzosen das bloß immer schafft, Schwie rigkeiten zu meistern.«
Errötend reichte sie ihm das Ticket. Das war wirklich Glück, dachte er im Weggehen. Es bestand eine gute Chance, daß die anderen noch in Paris waren, doch selbst wenn Shelley trans portfähig sein sollte und sie die letzte Maschine von British Airways erreicht hatten, bliebe ihm, Jago, reichlich Zeit, sich mit Bird und seinem schwarzen Freund zu befassen.
Er suchte ein Telefon und wählte die Nummer in Kent. Bird war am Appart. »Ja?«
»Hier spricht Jago. Ich bin in Paris und komme um eins in Heathrow an. Ich werde direkt weiterfahren zu Ihnen.«
»Gewiß, Mr. Jago. Irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Gott bewahre. Bloß was Geschäftliches. Mr. Smith dachte, Sie würden sich das vielleicht gern von mir persönlich näher erklären lassen. Sie warten doch auf mich?«
»Selbstverständlich.«
Bird hatte im Arbeitszimmer mit Albert Schach gespielt und schon voller Vorfreude ans Bett gedacht, als das Telefon klin gelte. Er legte den Hörer auf.
»Was wollte er denn?« erkundigte sich Albert.
»Er kommt aus Paris. Ich soll auf ihn warten. Was Geschäft
liches, hat er gesagt.«
»Mist! Ich wollte ins Bett gehen«, maulte Albert.
»Kannst du aber nicht, Herzchen, also sei ein lieber Junge und bring mir ‘nen Scotch, wir spielen noch eine Partie.«
Auf dem Weg zur Abflughalle pfiff Jago leise vor sich hin. Es
hätte gar nicht besser laufen können. Als er den Flugsteig passierte, lächelte er.
Die Klinik in der Bell Street befand sich in St. John’s Wood, diskret untergebracht in einem ehemaligen stattlichen viktoria nischen Wohnsitz mit parkähnlichem Garten. Dr. Aziz wohnte auf dem Grundstück und war vom Nachtportier aus dem Bett geholt worden, als sie kurz vor Mitternacht eintrafen. Nach einer schnellen Untersuchung nahm er unverzüglich den opera tiven Eingriff vor. Egan und Sarah warteten im Arbeitszimmer des Arztes und tranken Tee. Der hektische Ablauf und die Strapazen hatten ihre Spuren in Sarahs Gesicht hinterlassen.
»Sie sehen ziemlich erschöpft aus«, bemerkte Egan.
»Bin ich auch. Sie offenbar nicht. Sie sind genau wie Ihr On
kel. Sie scheinen förmlich aufzublühen.«
Die Tür öffnete sich, und Dr. Aziz, ein hochgewachsener, blutleerer Inder, trat ein. Er legte Egan die Kugel hin. »Ich hab sie rausgeholt. Kein Problem.«
Egan betrachtete sie prüfend. »Kaliber 22. Interessant. Wahr scheinlich ein Woodsman. Eine richtige Scharfschützenwaffe.« Er fixierte Aziz. »Kommt er wieder in Ordnung?«
»Ein paar Tage Ruhe, das ist alles, was er braucht, aber das wird teuer, Mr. Egan. Für mich ist dies ein hohes berufliches Risiko.«
»Sie werden angemessen entschädigt. Können wir ihn se hen?«
»Ich habe nichts dagegen, aber er braucht Schlaf. Machen Sie’s kurz.«
Er führte sie hinaus und über den schwach erleuchteten Kor ridor an mehreren Türen vorbei und öffnete schließlich eine am anderen Ende. Shelley lag, von Kissen gestützt, im Bett, die Augen geschlossen; in dem abgedunkelten Raum brannte nur die Nachtbeleuchtung.
»Er schläft«, flüsterte Sarah. »Die Narkose wirkt noch, ver
mute ich.«
»Ich durfte ihn allerdings nur örtlich betäuben«, erklärte der Arzt.
Ohne die Augen zu öffnen, ergänzte Shelley: »Stimmt genau. Man kann ja nie wissen, was man unter Vollnarkose schwatzt.« Er sah sie jetzt an. »Ich werde allmählich zu alt für solche Mätzchen. Was habt ihr jetzt vor?«
Egan streifte Sarah mit einem Seitenblick. »Sie muß sich gründlich ausschlafen. Ich bringe sie in die Lord North Street. Morgen ist auch noch ein Tag. Mal sehen, ob wir dieses Deep dene ausfindig machen können.«
»Halt mich auf dem laufenden.«
Shelley schloß die Augen, und Sarah ergriff seine Hand. »Mr. Shelley?« Er schaute sie an. »Vielen Dank«, sagte sie.
Er lächelte. »Keine Ursache, Kindchen. Marsch, ab ins Bett.«
Er machte die Augen wieder zu. Aziz nickte, und sie schli
chen leise hinaus.
In der Lord North Street sperrte Egan die Haustür
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