Hoelle aus Feuer und Eis
kein Müdigkeit mehr zu verspüren, sondern nur noch einen dunklen, endlosen Schlaf. Sie hatte einmal gehört, daß Erfrieren ein leichter Tod sein sollte, aber wie so vieles, was sie gehört hatte, war das einfach nicht wahr. Es war entsetzlich. Die Kälte war längst auch durch ihren Anzug gekrochen und schien jede einzelne Zelle ihres Körpers in Brand zu setzen. Es war wie ein Verbrennen, nur sehr, sehr viel langsamer. Wieder ließ ein dumpfer Stoß den Läufer erbeben, und diesmal spürte sie deutlich, wie sich die ganze gigantische Maschine zur Seite neigte und erst im letzten Moment ihre Balance wiederfand. Sie sah auf, blickte aus tränenverschleierten Augen zum Bildschirm hoch und sah nichts weiter als eine unendliche, graue Wand; erstarrter, farbloser Nebel, in dem helle und dunkle Schlieren eingefangen waren, und der das Universum von einem Ende zum anderen verhüllte. »Achtung!« schrie Leßter. »Jetzt!« Charity sprang mit einem Satz auf den Bildschirm zu, und dann erschütterte ein ungeheurer Schlag den Läufer. Das Universum auf dem Monitor kippte zur Seite, der Boden unter ihnen senkte sich, und ein Vibrieren, das Charitys Zähne abermals schmerzhaft aufeinanderschlagen ließ und sie um ein Haar völlig zu Boden schleuderte, lief durch die Riesenmaschine. Ein stöhnender Laut erklang, dann das furchtbare Splittern und Krachen von zerberstendem Metall - und plötzlich war der graue Nebel auf dem Bildschirm verschwunden und helles, in den Augen schmerzendes Sonnenlicht flutete über den Monitor in die Zentrale. Das Schütteln des Bodens und das ungeheure Splittern und Krachen und Bersten hielten an. Der Lärm wurde so gewaltig, daß Charity mit einem Schrei die Hände vor die Ohren schlug, ohne das Geräusch dadurch aussperren zu können. Für einen Moment war es schlimmer als die Kälte. Schläge wie von gigantischen Hämmern erschütterten den Läufer, und die Welt auf dem Bildschirm tanzte immer noch wie betrunken hin und her. Irgendwo tief unter ihren Füßen zerbrach etwas, etwas gigantisch Großes, dann neigte sich der Boden des Läufers mit einem Schlag und so heftig, daß sie alle drei den Halt verloren und quer durch den Raum geschleudert wurden. Eine stählerne Wand beendete ihren Sturz. Das Metall war so kalt, daß ihre Wange und ihre linke Hand, die es berührten, daran kleben blieben. Ihre Haut war taub vor Kälte, aber als sie sich mit einem Ruck in die Höhe stemmte, da blieben blutige Hautfetzen an dem Metall zurück, und sie spürte, wie Blut an ihrem Gesicht herablief. Alles drehte sich um sie. Sie versuchte, vollends in die Höhe zu kommen, aber ihre Kräfte reichten nicht mehr, und die Kälte sprang sie jetzt an wie ein Raubtier, das geduldig darauf gewartet hatte, daß sie in seine Nähe kam. Sie keuchte, fiel auf Hände und Knie herab und spürte, wie ihre Sinne zu schwinden begannen. Und es war keine normale Bewußtlosigkeit, die hinter dem sich immer schneller drehenden Wirbel in ihren Gedanken lauerte. Vielleicht war sie in ihrem Leben dem Tod noch nie so nahe wie jetzt gewesen. Aber sie wurde ihm noch einmal entrissen, und das im wortwörtlichen Sinne. Eine Hand griff nach ihrer Schulter und zerrte sie in die Höhe, sie fühlte sich nach vorn gestoßen und abermals gepackt - und plötzlich pulsierte ein Strom kribbelnder, fast schmerzhafter Wärme durch ihren Körper! Verblüfft öffnete sie die Augen und blickte in Leßters Gesicht. Es war von einer Rauhreifschicht bedeckt, die sich wie eine Totenmaske aus Eis auf seinem Gesicht niedergelassen hatte und die Konturen nachzeichnete. Aber etwas darunter ... war anders geworden. Sie wußte nicht was. Es war keine körperliche Veränderung, auch nichts in seinem Blick, sondern ein fast unheimlicher Wandel, als hätte sich etwas dicht unter der Oberfläche des Sichtbaren verschoben, in eine Richtung, die sie ebensowenig bestimmen konnte wie die Art dieser Veränderung. »Geht es besser?« Charity hätte vermutlich nicht einmal geantwortet, hätte ihre Zunge ihr gehorcht - was sie in diesem Moment nicht tat. Mit einer Mischung aus Entsetzen und immer tiefer werdender Verwirrung starrte sie Leßter an. Der Strom unheimlicher Wärme war noch immer da, ein Gefühl, das aus Leßters Hand in ihren Körper strömte und eigentlich keine wirkliche Wärme war, sondern eher ein Strom prickelnder, pulsierender Kraft, der die Kälte in ihrem Körper nicht vertrieb, es Charity aber möglich machte, sie zu ertragen. Und mit dem noch
Weitere Kostenlose Bücher