Hölle mit Vollpension
Der einzige Anwesende war Adler, der hinter der Bar stand und sich selbst bediente. Das Licht spiegelte sich so intensiv in seiner Glatze, daß ich einen Moment geblendet wurde, als ich auf ihn zuging.
»Im Speisezimmer steht eine Art kaltes Büffett , falls Sie Hunger verspüren«, schnarrte er. »Jeder greift zu, wann und wie oft er Lust hat .«
»Danke, aber ich werde zuerst was trinken .«
»Was darf’s sein ?«
»Scotch mit Soda.«
Er mixte den Drink und stellte ihn vor mich hin, dann stieß er mir plötzlich die Hand entgegen. »Schätze, wir haben uns noch nicht bekannt gemacht. Ich bin Marcus Adler .«
»Larry Baker.« Stoisch ertrug ich seinen eisernen Händedruck.
»Schrecklich, das mit Warren«, brummte er. »Wie ich höre, haben Sie seine Leiche gefunden ?«
»Stimmt«, nickte ich.
»Nicht sehr angenehm.« Er wiegte den Kopf. »Und wie er ermordet wurde! Die Kehle ganz herausgerissen... Jagt mir eine Gänsehaut ein, nur daran zu denken .« Plötzlich dämpfte er die Stimme zu einem Flüstern. »Wie ich höre, sind Sie so eine Art Psychologe, stimmt’s? Was schätzen denn Sie, daß hier vorgeht ?«
»Sie meinen, warum Warren ermordet wurde ?«
»Gewiß, und alles andere auch. Zum Beispiel gestern abend , dieses ganze wilde Gerede über böse Mächte, riesige Vampire und so weiter. Ich hätte darauf geschworen, daß Trudi jedes Wort glaubte !«
»Kennen Sie sie schon lange ?«
»Sind uns gerade erst begegnet. Kent Donavan ist ein alter Freund von mir, und ich schrieb ihm, ich käme geschäftlich aus den Staaten hierher, also lud er mich für ein paar Tage auf die Insel ein. Ich versprach mir davon eine nette Abwechslung und ein bißchen Entspannung. Aber was passiert? Ich gerate mitten in einen Mord! «
»Kent ist Schauspieler, nicht wahr ?« fragte ich beiläufig.
»Nehmen Sie mich nicht auf den Arm, Larry .« Er grinste breit. »Kent ist ein Windbeutel, und wir beide wissen das. Trudis Vorgängerin war eine reiche südafrikanische Erbin, aber sie bekam es satt, daß er ihr dauernd ihre Diamantenminen abschwatzen wollte .«
»Und in welcher Branche sind Sie, Marcus ?«
»Nicht in derselben wie Kent.« Er strich sich über die Glatze und schmunzelte. »Aus irgendeinem Grund sind die Ladies einfach nicht so scharf auf mich wie auf ihn. Mein Job sind Antiquitäten. Deshalb bin ich herübergekommen, zu einer Einkaufstour .« Er leerte sein Glas und mixte sich einen neuen Drink. »Dieser Donavan! Versprach mir, hier gäbe es ein paar wirklich hübsche Sächelchen zu entdecken. Aber natürlich hat mir schon der erste Blick auf dieses Haus — höchstens fünf Jahre alt — bewiesen, daß er mich wieder einmal hereingelegt hat .« Er sah über meine Schulter. »Hier kommt Gesellschaft«, murmelte er. » Mata Hari — oder wie sie heißt — gibt uns die Ehre .«
Ich wandte mich um und sah die alte Krähe vorsichtig in einem Sessel Platz nehmen. Die dunklen Augen hielten meinen Blick fest, ehe ich mich wieder abwenden konnte — gerade lange genug, daß ich die Herausforderung darin spüren konnte; dann verzogen sich ihre Lippen zu einem verzerrten Lächeln.
»Vielleicht wären Sie so freundlich, mir einen Drink zu bringen, Mr. Baker. Brandy. Und sagen Sie dem beidseitigen Linkshänder hinter der Bar, daß ich Original Napeoleon will und nicht das billige Zeug, das wir Banausen wie ihm servieren .«
Adler knallte ein Glas auf die Bar, dann suchte er in den Regalen hinter sich nach der richtigen Flasche. »Ich weiß nicht, was die alte Hexe gegen mich hat«, murmelte er. »Aber seit ich hier bin, hackt sie auf mir herum .«
»Vielleicht paßt es ihr nicht, daß Kent Freunde hat ?« schlug ich vor.
»Nein, ich glaube, es geht tiefer .« Nachlässig schüttete er Brandy in den Schwenker. »Sie verübelt ihm seine Beziehungen zur Lambert, und an mir läßt sie’s aus, weil das ungefährlicher ist .«
»Also, ich bringe ihr den Drink«, sagte ich.
»Und ich gehe essen .« Wieder grinste er. »Und wenn Sie jetzt glauben, ich kneife, dann haben Sie verdammt recht !«
Ich trug den Brandy und meinen Scotch hinüber zu Mara Lennay . Ohne ein Dankeswort nahm sie mir das Glas aus der Hand und sah Adler nach, der schnell aus dem Zimmer ging.
»So ein Narr !« sagte sie verhalten. »Eitel wie ein Pfau, bloß weil er sich auf seinen Umfang so viel einbildet. Warren war noch stärker als er, und was hat es ihm am Ende geholfen ?« Brüsk deutete sie mit dem Kopf auf den leeren Sessel neben sich.
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