Hölle mit Vollpension
Nachdem also dieser Donavan einzog, waren sie zu viert im Haus. Dann tauchten die Warrens plötzlich auf und wurden bald ebenso regelmäßige Gäste wie ich selbst. Vor kurzem nun kam wieder ein neues Gesicht hinzu — Adler .«
»Ich denke, er ist ein Freund von Ihnen ?« fragte ich.
»Bis gestern hatte ich ihn im ganzen Leben noch nie gesehen«, sagte er. »Meiner Überzeugung nach ist er — ob bewußt oder nicht — eine Neuanwerbung .«
»Anwerbung wozu ?« erkundigte ich Boris.
Crespin preßte die Fäuste zwischen die Knie und beugte sich vor. »Meine Herren, ich kann von dem Folgenden nichts beweisen, und wenn ich es für wahr halte, dann nur auf Grund meiner Beobachtungen. Mit gebührender Bescheidenheit kann ich behaupten, daß ich nicht nur oberflächliche Kenntnisse der schwarzen Kunst besitze — nach nun lebenslangem Studium. Und dank dieses Wissens habe ich meine Schlüsse gezogen — aus Andeutungen, halben Sätzen und Unwägbarem, das sich hier in den letzten achtzehn Monaten abgespielt hat. Wie ich schon sagte, bin ich von der Existenz des Dämons überzeugt. Aber ich bin nicht sicher, ob es sich um ein unabhängiges Wesen eigener Gestalt handelt — oder ob es nur in Maras Gehirn lebt .«
»Und Sie nannten Adler eine Neuanwerbung ?« erinnerte ich ihn.
»Nach fünfhundert Jahren hat der Dämon hier auf der Insel wieder Anbeter gefunden«, sagte Crespin gepreßt. »Am Anfang wird ihn das erfreut haben — aber wie lange? Vielleicht wird er bald verlangen, daß sich seine Gemeinde vermehrt. Zu guter Letzt mag er hoffen, sie wieder so zahlreich zu machen wie sie im vierzehnten Jahrhundert war !«
Boris starrte ihn an. »Wollen Sie damit sagen«, fragte er erstickt, »daß hier in diesem Haus jedermann ein Teufelsanbeter ist ?«
»Es wäre durchaus möglich«, murmelte Crespin. »Vielleicht ist nicht jeder gleichermaßen fest überzeugt, aber wie soll man die Böcke von den Schafen trennen ?«
»Und haben Sie all das dem Inspektor erzählt ?« stöhnte Boris.
»Natürlich nicht.« Crespin lächelte schwach. »Im günstigsten Falle hätte er mich für einen harmlosen Irren gehalten. Einem Polizisten liegen übernatürliche Erklärungen nicht, besonders wenn sie sich nicht hieb- und stichfest beweisen lassen. Außerdem stammt der Inspektor nicht von hier .«
Ich nahm Boris in einem unbeobachteten Moment die Flasche aus der Hand und schenkte mir ein Glas voll ein. Wie ich es sah, gab es hier nur zwei einfache Lösungen: Entweder war Crespin ein Spinner — oder er hatte etwas ganz Bestimmtes vor. Und wenn er damit richtig lag, in welches Licht stellte es dann Pamela Truscott ?
»Mr. Crespin möchte auch etwas trinken«, knurrte Boris und nahm mir die Flasche wieder aus der Hand.
»Nein danke«, wehrte Crespin ab.
»Dann auf Ihr Wohl!« Boris setzte sich mit frisch gefülltem Glas, die Flasche fest zwischen die Knie geklemmt.
»Und wie können wir Ihnen nun helfen, Mr. Crespin ?« erkundigte ich mich.
»Abermals kann ich es nicht beweisen, aber ich bin überzeugt, daß sie etwas vorhaben. Irgendeine Zeremonie. Aber was es auch ist, es muß so gräßlich sein, daß Warren die Teilnahme verweigerte und deshalb gestern abend versuchte, die Insel zu verlassen. Da tötete der Dämon ihn wegen seines Verrats und als Warnung für die anderen .«
»Wenn Mara Lennay wirklich diesen Dämon verkörpert, dann kann ich mir nicht vorstellen, wie sie — eine gebrechliche alte Frau — ihn umgebracht haben sollte«, überlegte ich. »Warren war ja direkt ein Riese !«
Crespin musterte mich fast mitleidig. »Ich würde Ihnen beipflichten, Mr. Baker, wenn wir genau wüßten, daß Warren bei Bewußtsein war. Aber vielleicht halfen seine Anbeter dem Dämon beim Mord des Ungläubigen ?«
»Das müßte sich doch leicht feststellen lassen«, mischte sich Boris plötzlich ein. »Wer hat das Haus unmittelbar nach Warren verlassen? Oder einfacher: Wer blieb zurück, als Warren verschwand ?«
»Ich wollte, ich könnte es Ihnen sagen«, seufzte Crespin. »Seine Frau sagt, er brach etwa gegen sieben Uhr auf. Zu dieser Zeit war ich auf meinem Zimmer und zog mich für das Abendessen um, und ich sah keinen von den anderen, bis ich etwa eine halbe Stunde später nach unten ging .«
»Und wenn seine Frau zu den Teufelsanbetern gehört, dann haben wir nur ihre Behauptung, daß er das Haus oder die Insel überhaupt verließ«, sagte ich. »Erinnern Sie sich noch, wann Sie Warren zum letztenmal lebend gesehen haben
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