Hölle mit Vollpension
wenn ihm wieder einfiele, daß zufällig Sie derjenige waren, der heute morgen den armen toten Charles entdeckt hat .«
Wenn es darauf eine Erwiderung gab, so fiel sie mir jedenfalls im Augenblick nicht ein. Ich erhob mich schnell, murmelte irgend etwas davon, daß ich Hunger hätte, und verließ das Zimmer. Das abstoßende Kichern folgte mir, und unter der Tür geriet ich stark in Versuchung, Boris’ Rat anzunehmen und die alte Hexe in den Fluß zu werfen.
Marcus Adler saß am entfernteren Ende der Tafel, als ich das Speisezimmer betrat, und aß sich methodisch durch die kalten Platten, die ein Waisenhaus eine Woche lang gesättigt hätten. Pamela häufte sich gerade ihren Teller voll. Sie trug ein klassisches kleines Schwarzes, das bescheiden ausgesehen hätte, wenn es oben und unten ein bißchen mehr Stoff gehabt hätte.
» Hello , Larry«, lächelte sie mich an, als ich neben sie trat. »Unheimlich, nicht? Ich fühle mich wie bei einem Leichenschmaus .«
»Mach dir nichts daraus. Wie geht’s Trudi ?«
»Man mußte es ihr natürlich erzählen « , sagte Pamela. »Aber sie schien gar nicht zu begreifen. Sah mich nur ein Weilchen stumm an und meinte dann, sie hätte keine Lust, heute abend zum Diner herunterzukommen, und ob ich Kent mit ein paar Happen zu ihr hinaufschicken würde ?« Hilflos zuckte Pamela die Schultern. »Das hätte mich doch beinahe umgeworfen .«
»Nicht bei deiner Statur«, grinste ich.
»Wenn du noch lange bleibst, sollten wir uns auf einen bestimmten Fahrplan einigen«, sagte sie mit einem Anflug von Verzweiflung. »Ich meine, damit es uns beide immer zur selben Zeit überkommt. Mir ging’s heute morgen so — aber alles, was dir einfiel, war ein Spaziergang. Und jetzt scheinst du so weit zu sein, doch alles, wozu ich Lust habe, ist ins Bett zu gehen — allein — und mich unter der Decke zu verkriechen .« Ein schnelles Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Tut mir leid, Larry. Aber dieser Tag heute hat mich restlos geschafft .«
»Klar«, sagte ich, »das verstehe ich .«
»Wie wär’s also mit ein bißchen Ersatzbefriedigung durch Essen ?«
»Was für ein abstoßendes Bild«, sagte Mara Lennay von der Tür her.
Ich brauchte eine Weile, ehe ich begriff, daß sie zu Adler sprach, der sich jedoch unbeeindruckt weiterhin vollstopfte.
»Schweine haben bessere Manieren !« Maras dunkle Augen funkelten vor Bosheit. »Sie! Mr. Peddler oder wie Sie heißen — ich rede mit Ihnen !«
Adler hob den Kopf und starrte sie an, dunkelrot im Gesicht. »Was ist denn nun schon wieder ?« murmelte er.
»Da fragen Sie auch noch? Sitzen hier und schlingen, als hätten Sie seit Monaten nichts Anständiges mehr zu essen bekommen! Ihr Anblick allein dreht einem den Magen um. Haben Sie denn gar kein Benehmen ?«
Geräuschvoll schob Adler den Stuhl zurück, stand auf und rannte fast aus dem Zimmer. Nach der Farbe seines Gesichts zu urteilen, als er an Mara Lennay vorbeihastete, mußten ihm jeden Augenblick ein paar Adern platzen. Als er verschwunden war, ließ sich Mara Lennay am Tisch nieder und sah uns an.
»Pamela, meine Liebe, ich nehme nur ein bißchen Roastbeef und ein Scheibchen kalten Hammel. Mit Chutney, natürlich! Dazu etwas Kartoffelsalat und auch grünen Salat, aber ohne Mayonnaise.«
»Reicht Ihnen das auch bestimmt ?« fragte Pamela verbissen. »Sogar der arme Mr. Adler hatte ein bißchen mehr .«
»Werden Sie nicht keß zu mir, junges Ding«, sagte Mara Lennay leise. »Auch wenn Sie sich die ganze Nacht mit einem Mann im Bett herumgewälzt haben, brauchen Sie sich noch nichts einzubilden — in Ihrem Alter! «
Pamelas Wangen färbten sich dunkelrosa, sie griff schnell nach einem Teller und begann das Gewünschte für Mara darauf zu häufen.
»Schon besser«, sagte die alte Krähe. »Mr. Baker kann ruhig noch etwas warten. Schließlich haben Sie ihn ja gestern nacht gut bedient, nicht wahr ?«
»Geh’ lieber, Larry«, flüsterte Pamela. »Solange sie dich als Zuhörer hat, wird’s nur immer schlimmer .«
Also kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, plötzlich allen Appetites bar, und fand es leer vor. Ich hatte meinen ersten Drink etwa zur Hälfte geleert, als Amantha forsch ins Zimmer kam.
»Ich suche Sie überall«, verkündete sie vorwurfsvoll.
»Und da war ich ja auch«, antwortete ich. »Einen Drink?«
Ungeduldig schüttelte sie den Kopf. »Ich hatte eine Unterredung mit Kent über...« Sie senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Sie wissen schon. Er
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