Hölle ohne Hintertür
Bekannte, erledigte deshalb
alles Lebensnotwendige wie Bankgeschäfte und Besorgungen für den Unterhalt
selbst mithilfe eines Sprachcomputers, der ihm eventuelle Post und Bankauszüge
vorlas, und anderer Hilfsmittel. Für einen Sehenden, der den Blinden nur spielt,
würde es ein Kinderspiel sein.
Und auf dem Sparkonto, dachte
Gunnar, mehr als eine Million. Er hatte nachgesehen in den Papieren des Toten.
Dazu die Unfallrente.
Oh Mann! Geht’s mir gut. Ein
Haus in Deutschland habe ich nun auch. Und kein Nachbar ist da, der mir in den
Suppentopf guckt.
Als wahres Glück erwies sich
jetzt, dass Gunnar über Alexanders Leben haarklein Bescheid wusste. Es war kein
brüderlich-liebevoller Kontakt gewesen, aber immerhin ein Kontakt. Dass sie
Infos austauschten über ihren Alltag, ergab sich von selbst. Nach anderen
Themen hätten sie suchen müssen.
400 000 wollen diese Aasgeier,
dachte er. Nicht einen Cent kriegen sie. Müsste ja blöd sein. Denn Gunnar ist
tot. Pech gehabt, Leute. Ja, sie werden mich tot in meiner Behausung auffinden.
Alexander in meinen Klamotten, mein Abbild bis zur letzten Sommersprosse. Dass
ich als Leiche nicht mehr so braun gebrannt und gesund aussehe, wen wundert’s!
Das macht eben der andere Zustand. Sogar Maria wird glauben, dass ich es bin,
und hoffentlich ein paar Tränen vergießen.
Nur hinsichtlich der
Fingerabdrücke muss ich mir was einfallen lassen. Die sind ja leider auch bei
eineiigen Zwillingen total unterschiedlich. Und in meiner Bude wimmelt’s von
meinen. Hm! Dann bin ich eben im Atelier tot umgefallen. Habe ein Fläschchen
mit ätzender Tinktur runtergefegt und die Fingerkuppen sind in der Soße
gelandet. Kein sehr rücksichtsvoller Umgang mit einem Toten. Aber Alex tut’s
nicht mehr weh. Und sicher ist sicher.
Sein Handy zirpte. Marias
Nummer auf dem Display.
»Tut mir Leid, Herzblatt«,
murmelte er. »Aber ich bin nicht mehr unter den Lebenden. Und komm bloß nicht
ins Uro-Tal! Lass dir das nicht einfallen.«
Er beschloss, sehr vorsichtig
zu sein, sobald er sich seiner Adresse näherte. Vielleicht war es klüger, erst
in der Nacht anzukommen. Ja, er würde sich einen entlegenen Rastplatz suchen
und dort den Tag verdösen. Jetzt war bald Mittag und die Sonne heizte den alten
Wagen auf wie einen Backofen.
10. Weicheis
Problem
Als das Pausenklingeln die
Mathestunde beendete, schaltete Tim sein Handy wieder ein. Dass während des
Unterrichts nicht telefoniert wurde, war selbstverständlich. Auch die anderen
Schüler fummelten herum an ihren Mobil-Sülzgeräten. Gaby sagte, sie müsse mal
für kleine Mädchen, und schwirrte ab; Karl saß auf seinem Platz und las in
einem telefonbuchdicken Wälzer über die Hexenverfolgung; Klößchen war auf dem
Weg in die Internatsküche, um noch zu ergattern, was an belegten Semmeln aus
der großen Pause übrig geblieben war.
Tims Handy klingelte und der
TKKG-Häuptling meldete sich.
»Ich bin’s«, sagte Martin,
»Martin Flotosko. Störe ich dich gerade?«
»Höchstens beim Rumhängen.
Worum geht’s?«
»Du hast doch frei in der
nächsten Stunde. Könntest du herkommen?«
»Auf die Krankenstation?«
»Ja. Ich bin immer noch hier.
Dr. Güttner hat mein Knie eingegipst. Ich kann zwar rumhumpeln, aber erst mal
bin ich noch der Gertrude ausgeliefert.«
»Besser ihr als denen, die die
Bruchfestigkeit deiner Knochen testen.«
»Äh... deshalb möchte ich mit
dir sprechen.«
»Okay. Bin gleich da.«
Tim stiefelte los, ohne Karl zu
informieren. Vielleicht war es angebracht, sich zunächst im Alleingang
Durchblick zu verschaffen. Tim wollte auf keinen Fall, dass Gaby abermals in
Panik geriet.
Er trat ins Freie und sah
hinüber zum Parkplatz. Das BMW-Flaggschiff war nicht mehr da. Hugo, das
Schlotterbein, hatte die Platte geputzt. Klar doch! Der Mann war Chauffeur und
kein Held. Auch ein langjähriges Angestelltenverhältnis verpflichtet nicht
dazu, gewalttätigen Gangstern gegenüberzutreten.
Als Tim ins Krankenzimmer kam,
lag Martin auf dem Bett am Fenster und blätterte in einer Zeitschrift. Das
verletzte Knie war jetzt fachärztlich versorgt. Am Bett lehnte eine Krücke.
Martin legte die Zeitschrift
auf den Nachttisch und schaltete sein Willkommensgrinsen ein. »Danke, dass du
Zeit für mich hast.«
»Hugo ist wohl nicht lange
geblieben?«
Martin tat überrascht. »Du hast
ihn gesehen?«
»Ein Männchen in
Chauffeursuniform. Mit einem Gepäckstück, das ihm nicht geheuer war. Man hätte
meinen können, TNT
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