Höllenbote Angela
Seite zugebissen. Nur ganz leicht, es hatte so gut wie nicht weh getan. Aber es war für beide sehr wichtig gewesen, besonders aber für sie.
Noch jetzt dachte sie an das Saugen und auch leise Schmatzen, das sie vernommen hatte. Für eine kurze Zeit nur hatte diese Gestalt ihr Blut getrunken. Wenige Tropfen, nicht mehr, dann hatte er sich wieder aufgerichtet und sie angeschaut.
Noch jetzt sah sie die Szene überdeutlich vor sich. Sein Lächeln, die beiden Vampirzähne, an deren Spitzen noch zwei Tropfen hingen, die er schließlich mit einem Schlag seiner Zunge weggeleckt hatte.
»Du bist jetzt eine von uns!« hatte der unheimliche Fremde gesagt. »Niemals wird man dir das Leid antun, mit dem andere Menschen in deiner Lage in Berührung kommen. In diesem Moment habe ich dir ein zweites und ein besonderes Leben gegeben.«
»Ja? Wer bist du?«
»Jemand, der einmal auf der anderen Seite gestanden und Terroristen gejagt hat. Der nun aber bekehrt wurde und deshalb seine wahre Bestimmung fand. Ich heiße Will Mallmann, nenne mich Dracula II, weil ich seine Tradition fortführen will. Einzig und allein die Tradition des Blutsaugers und nicht die des Herrschers, denn auf den normalen Thron möchte ich nicht steigen. Ich habe dich durch meinen Biß zu einer Schläferin gemacht, um in der Tradition zu bleiben. Du wirst schlafen, du wirst auf Eis gelegt, und zwar so lange, bis ein bestimmtes Ereignis eintritt und ich dich wieder brauchen werde.«
»Ja,ja…«
Er hatte sie angelächelt und sie mit seinen kalten Totenhänden gestreichelt. »Alles wird gut werden für dich, auch wenn es nicht so aussieht. Du wirst deinen Feinden keinen Widerstand entgegensetzen. Laß dich festnehmen und versuche, mit ihnen etwas auszuhandeln. Ich bin mir sicher, daß sie darauf eingehen werden.«
»Was denn?«
»Denk nach, Angela. Sie sind zwar mächtig, aber sie sind nicht allmächtig. Sie suchen immer wieder nach Menschen, die hin und wieder für sie arbeiten. Verstehst du?«
Angela hatte nicht lange zu überlegen brauchen. Sie hatte ihn verstanden, obwohl ihr noch zahlreiche Fragen auf der Zunge lagen. Die konnte sie nicht mehr stellen, denn der andere hatte sich lautlos zurückgezogen. Er war in die dunkelste Stelle des Kellers abgetaucht, und Angela hatte ihn nicht mehr gesehen, bis auf das rote D. Aber auch das tanzte plötzlich in der Luft, und sie hatte zudem Geräusche gehört. Ein heftiges Flappen, als wäre jemand dabei, mit einem nassen Lappen durch die Luft zu wischen.
Die Schwärze hatte angefangen zu tanzen. Ein heftiges Hin- und Herzucken. Danach hatte sie nur einen sich heftig bewegenden Schatten gesehen, der in einem Irrflug durch die Finsternis geglitten und dann durch die Tür verschwunden war.
Nichts mehr war zurückgeblieben. Sie hatte an einen Traum glauben können, aber es war keiner gewesen. Angela brauchte nur an ihre linke Halsseite zu fassen, um herauszufinden, daß sie keinen Traum erlebt hatte. Dort fühlte sie die winzigen Wunden, kaum größer als Mückenstiche, aber sie wußte auch, daß diese beiden Wunden für ihr weiteres Leben entscheidend waren.
Die feuchte Killte und auch die Stille in diesem Ruinenkeller hatten sie umklammert. Von ihren Feinden draußen war nichts zu hören gewesen. Sie ließen sich Zeit, aber sie gaben ihr auch eine letzte Chance. Urplötzlich vernahm Angela die durch ein Megaphon verstärkte Stimme, die sie aufforderte, sich zu ergeben.
Sie überlegte nicht lange, stand auf und schrie in den Flur hinein. »Ich werde kommen, nicht schießen!«
»Akzeptiert!«
Die nächsten Minuten waren die schlimmsten in Angela Sartis Leben gewesen. Sie hatte sich so schwach und zugleich gedemütigt gefühlt. Sie war steif dahergeschritten und trotzdem mit zittrigen Knien. Mit erhobenen Händen war sie die alte Treppe hochgestiegen, ohne etwas sehen zu können, denn der Strahl eines hellen Scheinwerfers hatte sie geblendet.
Am Ende der Treppe war sie dann in Empfang genommen worden. Starke Hände hatten sie zu Boden gerissen und auf den Bauch gedreht. Arme und Beine gespreizt. Schwere Schuhe stemmten sich in ihren Rücken. Finger tasteten sie hastig ab und fanden keine Waffen.
Angekettet war sie dann in den gepanzerten Mannschaftswagen geschafft worden. Dort hatte man sie noch einmal angekettet, und sie war auch geschlagen worden.
Apathisch hatte sie alles hingenommen. Die späteren Verhöre ebenfalls. Man hatte sie leiden lassen, über Stunden, Tage und Wochen hinweg. Bis zu einem
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