Höllenbote Angela
fest.
Der Wagen stoppte. Der Motor wurde ausgestellt. Trotzdem blieb der Fahrer noch sitzen. Er strich dabei über seine Stirn, und in seinem glatten Gesicht bewegte sich nichts. Nach einer Weile verzerrte sich sein Mund, aber es war kein Lächeln, denn das hallen seine Gedanken, die sich mit der Vergangenheit beschäftigten, nicht zugelassen.
Er war eigentlich gekommen, um Abschied zu nehmen, und noch jetzt dachte er über die Gründe nach. Ansonsten war er kein Mensch, der irgendwelchen Sentimentalitäten nachgab. In diesem Fall machte er eine Ausnahme und wußte dabei selbst nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte, auf diese Ausnahme einzugehen.
Lag es an der Toten?
Der Mann, der sich den Namen Big Smith zugelegt hatte, grübelte über die Frau nach. Angela Sarti war von mehreren Kugeln getroffen worden; sie war tot, aber sie hatte noch im Tod schön ausgesehen. So wie als Lebende. Big Smith hätte sich gern näher mit ihr beschäftigt. Immer wieder hatte er von einem intimen Kennenlernen geträumt, aber dagegen stand der Job, und der ließ nichts Privates zu. So hatte Big Smith auch dafür gesorgt, daß Angela in eine Falle gelockt wurde, aus der sie nicht mehr entkommen war.
Es hatte keine andere Möglichkeit gegeben, denn ein Aussteigen aus dem Job hätte die andere Seite nie zugelassen.
War es Reue, die ihn hergeführt hatte?
Er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Jedenfalls hatte Big Smith auf seine Gefühle gehört und war in diese Halle gefahren, in der die Firma den schlichten Sarg mit der Toten abgestellt hatte. Am nächsten Tag sollte er in den Ofen geschoben und verbrannt werden. Dann war die Killerin Angela Sarti endgültig Vergangenheit, und auch Big Smith’ Traum von einer heißen Liebesnacht mit ihr würde sie nicht mehr erfüllen können.
Er schaltete die Scheinwerfer aus. Die Dunkelheit fiel in die Halle hinein wie eine sehr schnell geworfene Decke. Auch im Wagen wurde es finster, was dem Mann nicht paßte. Er schaltete wieder die Scheinwerfer ein, dessen Kreise sich an der gegenüberliegenden Wand abmalten und ihn wie zwei Augen anzustarren schienen.
Er schüttelte den Kopf. Er wollte seine Sentimentalitäten vertreiben. Keine Vergleiche, keine Metaphern. Dazu war er viel zu realistisch eingestellt.
Big Smith nahm die Taschenlampe mit, die ebenfalls auf dem Beifahrersitz gelegen hatte. Dann stieg er aus. Ein farbloser Mensch mit einem dunkelgrauen Mantel, mit farblosen Augen und mit ebenfalls farblosen, fahlen Haaren.
An ihm war nichts Besonderes, was sich auch auf sein Gesicht bezog. Es war einfach nur da, aber jeder, der es sah, vergaß es wieder. Es war zu unscheinbar. Niemand würde es mit einem zweiten Blick bedenken. Sein großer Vorteil im Job. Weniger bei den Frauen. Die hatten mit ihm nicht viel am Hut. Wenn er eine Frau brauchte, dann wußte er immer, wo er sie finden konnte.
Big Smith drückte die Tür zu. Für einen Moment sah er sein Gesicht im Außenspiegel. Mochte es noch so nichtssagend sein, mochten die Blicke der Frauen noch so sehr an ihm vorbeischauen, eines konnte man ihm nicht nehmen – die Macht!
Das war für ihn wichtig. Er hatte erlebt, wie ein Mensch seine Macht gegenüber anderen ausspielen konnte. Und das war auch bei Angela, der Killerin, der Fall gewesen, denn sie hatte nichts davon gemerkt, daß sie in eine perfekte Falle gelockt worden war. Natürlich von Big Smith aufgebaut.
Der Sarg stand an der linken Seite, direkt an der Mauer. Der Bau hier gehörte der Firma, und nur wenige Eingeweihte hatten Zutritt. Hier wurden die Dinge aufbewahrt, die auf keinen Fall an die Öffentlichkeit geraten sollten.
Big Smith drehte sich vom Wagen weg. Das Licht ließ er an. Er wollte sich nicht nur auf die Leuchtkraft seiner Taschenlampe verlassen, die er trotzdem einschaltete.
Dabei ging der unscheinbare Mann weiter. Der Strahl bewegte sich im Rhythmus der Schritte. Er tanzte auf und ab, wobei er das Ziel noch vor Big Smith erreichte.
Auf einer Sargseite malte sich eine leuchtende Kugel ab, als Big Smith stehenblieb. Er hatte die Totenkiste nicht selbst ausgesucht, aber er kannte sich aus und wußte, daß für diese Särge nur das billigste Material genommen wurde. Dünnes Holz, das sehr schnell brannte, wenn der Sarg in den Ofen geschoben wurde.
Etwas irritierte den Mann. Big Smith wußte nicht genau, was ihn da abgelenkt hatte. Zumindest mußte es mit dem Sarg zu tun haben, denn in seiner Umgebung gab es nichts anderes. Nur die kahle, alte
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