Höllenengel
ihrem Bericht fort:
»Zur schwierigsten Aufgabe von Eltern und Erziehern ist es
geworden, zu gewährleisten, dass die Kinder das Teenageralter
überstehen, ohne drogenabhängig zu werden. Die Menge ist
groß genug, dass jede Familie, zumindest hier im Stadtgebiet,
jemanden kennt oder mit jemandem verwandt ist, der ein ernsthaftes
Drogenproblem hat oder hatte.« Hier machte Ásta eine
Pause und schaute die Menschen an, die im Besprechungsraum
saßen, als erwartete sie, dass jedem ein Junkie in seinem
nächsten Umfeld einfiele.
Randver nutzte die Gelegenheit, um den Vortrag zu
unterbrechen.
»Das sind ja alles nützliche Hintergrundinformationen,
die ein sehr genaues und erschreckendes Gesamtbild der Lage geben,
aber ich weiß, dass viele Anwesende die Frage stellen
möchten: Weiß die Rauschgiftabteilung, ob Elli vom
Octopussy und die Geldeintreiber, die bei ihm waren, auf irgendeine
Art und Weise mit Drogen in Verbindung standen und wenn ja,
wie?«
Ásta verstand sofort, dass Randver sie antreiben wollte, zum
Punkt zu kommen. Sie sagte: »Das ist selbstverständlich
eine gute Frage, aber ich hatte mir gedacht, ich widme mich ihr
nachher. Es gibt noch ein oder zwei Aspekte, die ich nennen will,
um das Gesamtbild zu verdeutlichen.
Ich sagte bereits, dass wir es mit Profis zu tun haben.
Damit meinte ich nicht, dass die Drogenhändler oder Schmuggler
nicht auch andere Berufe ausüben könnten auf dem
Papier zumindest. Was ich meinte, ist, ein normaler Bürger,
der ein Kilo Kokain auf dem Bürgersteig findet, hätte,
ohne Verbindungen zu solchen Leuten zu haben, große
Schwierigkeiten, es an den Mann zu bringen.
In früheren Jahren wurde einigen Leuten, von denen die
Allgemeinheit fand, dass sie erstaunlich schnell zu Vermögen
gekommen waren, nachgesagt, den Drogenschmuggel zu finanzieren. Wir
haben dafür keine Beweise, aber es ist nicht unwahrscheinlich,
dass einige Leute das als eine spannende Art von Risikokapital
betrachteten. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass dieselben
Beteiligten den Drogenhandel über längere Zeit
finanzieren. Dazu ist der Markt hierzulande einfach nicht
groß genug. Man kann, gemessen an normalen
Angestelltenlöhnen, beträchtliche Gewinne einfahren, aber
sobald jemand sein Vermögen in Milliarden beziffert, ist das
Schmuggeln von Drogen in ein so spärlich besiedeltes Land
nicht mehr lukrativ, wenn man das Risiko miteinbezieht. Diejenigen,
die den Drogenschmuggel als ihren Beruf betrachten, müssen
Geschäftsbeziehungen ins Ausland haben. Manche haben feste
Großhändler.
Abgesehen von den Handelsbeziehungen, die sich normalerweise leicht
auftun, muss ein professioneller Drogenschmuggler irgendeine Art
von Geldwäschemöglichkeit für seine Einnahmen haben.
Er muss eine Firma besitzen oder Verbindungen zu einer Firma haben,
die genug Gewinn macht, um die gute finanzielle Lage zu
erklären, also eine Gaststätte, eine Reinigung, ein
Fitnessstudio oder irgendeine andere unschuldige
Einkommensquelle.«
»Und was ist mit einem Puff?« Terje konnte nicht
länger schweigend dasitzen und unterbrach Ásta mit
diesem Zwischenruf.
»Selbstverständlich. Ein Bordell fällt
natürlich unter die Rubrik Gaststätte. Und damit bin ich
beim letzten Punkt meines allgemeinen Vortrags über die Lage
bei den Rauschgiftdelikten angekommen. Obgleich der
isländische Markt klein ist, ist damit nicht gesagt, dass es
nur der eine oder andere Junkie ist, der den Schmuggel
aufrechterhält. Ganz im Gegenteil. In den letzten Jahren haben
wir mehrfach Anzeichen dafür gesehen, dass starke Beteiligte
aus dem Ausland Interesse daran gezeigt haben, hier Fuß zu
fassen. Erstens die Hells Angels aus Dänemark, die wir durch
die gute Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst außerhalb
unserer Landesgrenzen halten konnten. Zweitens scheint es so, dass
hier eine bemerkenswerte Menge von Drogen aus den
Ostseeanrainerstaaten ins Land kommt. Und damit bin ich zu der
Frage gekommen, die Randver eben gestellt hat.
Die Frage kam auf, ob Elli vom Octopussy und die Männer, die
mit ihm gefunden wurden, mit Drogen in Verbindung gestanden haben,
und wenn ja, auf welche Art.
Diese Frage kann man sowohl lang als auch kurz beantworten. Die
kurze Antwort ist einfach Ja. Ævar Guðbergsson und
Jóhann Baker sind beide wegen Drogenmissbrauchs vorbestraft.
Elías ist nie in Zusammenhang mit Drogen geschnappt worden,
wenn man Führerscheinentzug wegen Alkohols am Steuer
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