Hoellenfeuer
tun…“
Die letzten Worte hatte Eleanor leise und nachdenklich gesprochen, doch Samael hatte sie wohl vernommen. Er schwieg und blickte beinahe betreten zur Seite.
„Ich habe Gott noch nicht kennengelernt“, fuhr Eleanor einfühlsam fort. „Aber ich glaube, ich kann mir gut vorstellen, wie dir zumute sein muss. Du vermisst das Gefühl der Liebe, das du in seiner Gegenwart verspürt hast. Wir Menschen sehnen uns auch nach diesem Gefühl. Deshalb suchen wir unser Leben lang nach einem Partner, der uns diese Liebe geben kann.“
„Du willst die Liebe Gottes mit der Liebe eines Menschen vergleichen?“, höhnte Samael von Dach herab.
„Über die Liebe Gottes kann ich nichts sagen. Vielleicht suchen wir Menschen nur nach einem Ersatz. Und etwas anderes als die Liebe eines Menschen können wir eben nicht bekommen. Ob das eine besser ist als das andere, weiß ich nicht.“
„Menschen!“, giftete Samael. „Ihr wisst nichts und wagt es dennoch, euch mit meinesgleichen zu messen. Ihr vernichtet einander, ihr vernichtet euren Planeten, ihr vernichtet die Seelen eures Nächsten und dennoch lässt der Herr euch gewähren. Ihr seid nichts weiter als Abschaum, der vernichtet gehört!“
Eleanor stand einen Augenblick wie erstarrt da. Dann wurde sie von einem unglaublichen Gefühl des Zorns gepackt.
„In einem Punkt sind wir Menschen e uch voraus!“, schrie sie zu Samael empor. „Die meisten von uns haben gelernt, dass man jene, die anders sind, nicht mit Verachtung und Vernichtung verfolgen darf. Wir haben nicht weniger Recht zu leben als ihr. Nur weil wir anders sind!“
Mit diesen Worten wandte sie sich innerlich kochend vor Wut ab und rannte zurück ins Haus.
Eleanor sah Samael für den Rest des Tages nicht mehr. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer und sperrte die Welt so gut es ging aus. Ihr war vollkommen bewusst, dass sie ihn nicht gegen seinen Willen aus ihrem Zimmer hätte forthalten können. Doch merkwürdigerweise hielt Samael selbst sich von ihr fern. Sie hörte und sah nichts von ihm. Fast hätte sie glauben können, dass sie völlig allein an diesem Ort in den Bergen war.
Ihre Gedanken wanderten zu Raphael. Sie wusste, dass er in diesem Augenblick den Berg verzweifelt umkreiste und sich die schwersten Vorwürfe machte, dass er Samael unterschätzt hatte. Ebenso wusste sie, dass sie gegen Samaels Willen auch nicht aus eigener Kraft das Kloster würde verlassen können.
Sie seufzte tief auf. Obwohl sie innerlich aufgewühlt und unruhig war, verspürte sie doch keinerlei Lust, durch das Kloster zu laufen und dabei dem Fürsten der gefallenen Engel begegnen zu müssen. Es dauerte in dieser Nacht sehr lang, bis sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Am folgenden Morgen erwachte Eleanor früh. Es dauerte einige Augenblicke, bis ihr die Erinnerungen an den gestrigen Tag wieder ins Gedächtnis kamen. Das Wissen um die dramatischen Erlebnisse des Konzils und ihrer Flucht hierher trafen sie wie ein Schwall kalten Wassers ins Gesicht. Ihr Magen zog sich unangenehm zusammen.
Nachdem sie eine Kleinigkeit gegessen hatte, verließ sie ihr Zimmer und ging in den großen Hof, um nach Raphael zu sehen. Dort stand er, dreißig Meter von der Brüstung entfernt in der Luft und sah zu ihr hinüber. Als er sie erblickte, glitt ein Ausdruck der Sorge und Verzweiflung über sein Gesicht. Er streckte die Hand nach ihr aus und wusste doch, dass er sie nicht würde berühren können. Die Qual war seinem Gesicht so deutlich anzusehen, dass Eleanor Tränen in die Augen stiegen. Auch sie streckte sehnsuchtsvoll die Hand nach ihm aus.
„Sorge dich nicht“, flüsterte sie. „Ich weiß, dass du bei mir bist.“
In diesem Augenblick verzog sich Raphaels Blick zu einer zornigen Grimasse. Eleanor blickte unsicher über ihre Schulter zurück. Dort stand Samael. Sein Blick hatte nichts höhnisches an sich, so wie sonst. Stattdessen blickte er beinahe betroffen auf die Szene vor sich.
„Was willst du?“, fragte Eleanor herausfordernd. Sie war verstimmt, weil Samael sich in ihr Wiedersehen mit Raphael drängte.
„Du hast tatsächlich keine Angst vor mir “, stellte Samael beeindruckt fest. „Du fühlst dich sicher, weil du glaubst, dass ich dir nicht schaden kann.“
Eleanor sah ihn finster an und nickte.
Samael blickte sie einen Augenblick lang beinahe fasziniert an. Dann schlich sich ein verschlagenes Grinsen auf sein Gesicht.
„Wir werden sehen, Eleanor. Wir werden sehen “, sagte er. Er erhob er sich
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