Hoellenfeuer
da. Ein wunderschöner Ort – doch Eleanor grauste es bei diesem Anblick. Schaudernd wandte sie sich ab.
Die Sonne stand schon tief am Himmel, als die vier mit dem Bus wieder in Stratton ankamen. Sie hatten eine Kleinigkeit in der Dorfpost von Tintagel gegessen, einem skurrilen, alten Gebäude mit einem gewellten Schieferdach, das eher an ein altes Hexenhäuschen erinnerte, denn an ein ehemaliges Postamt.
Am Nachmittag waren sie schließlich in den Bus gestiegen, der sie zurück nach Stratton brachte. Und in all der Zeit war Michael nicht einen Augenblick von Eleanors Seite gewichen. Wie ein Schatten hatte er an ihr gehangen und sorgsam darauf geachtet, dass er zur Stelle wäre, sollte es ihr schlechter gehen. Er schien sich ernsthaft Vorwürfe zu machen, dass er auf dem Feld vor der Kirche bei Tintagel nicht rechtzeitig genug zur Stelle gewesen war. So ließ er es sich auch nicht nehmen, nach Verlassen des Busses in Stratton Eleanor zu Fuß bis nach Stratton Hall zu bringen. Dass Raphael den gleichen Weg zu gehen hatte, übersah er. Da unter diesen Umständen auch Bess nicht unfreundlich sein wollte, gingen sie schließlich zu viert nach Stratton Hall. Immerhin würden Bess und Michael so ihre Mutter von der Arbeit abholen können.
Als sie endlich das große Eingangstor des Geländes von Stratton Hall von der Landstraße her erblickten, atmete Eleanor innerlich auf. Einige Minuten später hatten sie das Hauptgebäude erreicht und schleppten sich die Freitreppe hinauf. Hier in der großen Eingangshalle verabschiedeten Eleanor und Raphael sich von Bess und Michael. Schwester Veronica würde in wenigen Minuten Dienstschluss haben und die beiden mit dem Auto nach Hause nehmen können. Eleanor und Bess umarmten sich herzlich. Michael war anzusehen, dass er das ebenfalls gern getan hätte, doch er beschränkte sich unsicher auf einen Händedruck für Eleanor und Raphael.
Bess zögerte einen Augenblick. Dann umarmte sie auch Raphael. Und während es für ihn eine selbstverständliche Geste zu sein schien, fühlte sie sich bei dieser Berührung schlagartig so wohl, wie nie zuvor in ihrem Leben.
Nach einem letzten Auf Wiedersehen machten Eleanor und Raphael sich auf den Weg zum großen Speisesaal, der sich schon zu füllen begann. Es war Zeit für das Abendessen und Eleanor war tatsächlich mittlerweile hungrig.
Kurz darauf saß sie Raphael gegenüber und aß mit großem Appetit. Es dauerte eine Weile, bis sie mitbekam, dass Raphael sie ernst ansah.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen “, sagte er schließlich ernst.
Eleanor hielt inne. Dann legte sie die Gabel beiseite. „Was ist da heute passiert?“, fragte sie leise.
„Dieses Feld bei Tintagel war ein Schlachtfeld“, raunte Raphael. „Im Jahre 1635 fand dort ein schreckliches Gemetzel statt. Mehr als eintausend Landsknechte fanden dort den Tod. Als Soldaten hatten beinahe alle von ihnen zuvor schon getötet. Dieses Feld ist verflucht, ebenso wie die Seelen, die dort ihre kümmerliche Existenz fristen. Und die meisten von ihnen sind bis heute so verdorben und böse, dass sie sicher nie erlöst werden.“
Eleanor war sprachlos. „Aber was hat das mit dir zu tun?“, fragte sie schließlich. „Warum machst du dir Vorwürfe?“
„Ich habe sie nicht rechtzeitig erkannt “, erwiderte Raphael betreten. „Sie fielen bereits über dich her, noch bevor ich sie wahrgenommen hatte.“
Das Konzil
Raphaels Sorge war mehr als berechtigt gewesen. Ebenso, wie sein Schuldbewusstsein. Der Gedanke, dass Mächte aus der Geisterwelt über Eleanor hergefallen waren bevor er hatte eingreifen können, war ihm unerträglich.
Ihm war bewusst, dass die Geister auf dem Feld von Tintagel keine bösen Absichten gegen Eleanor gehegt hatten. Sie hatten lediglich erkannt, dass dieses Menschenmädchen auf die Angst reagierte, die sie selbst ausstrahlten. Von diesem Augenblick an waren sie nicht mehr zu halten gewesen. Mehrere hundert Geister waren gleichzeitig auf Eleanor eingestürmt und hatten sie angefleht, sie zu erlösen. Für einen Menschen war dies zu viel gewesen. Eleanor war in Ohnmacht gefallen.
An diesem Abend hatte Raphael während des Abendessens in Stratton Hall nicht einmal ansatzweise vorgegeben zu essen. Er war viel zu besorgt gewesen. Ernst, beinahe abweisend, hatte er Eleanor gegenüber gesessen. Dann war er plötzlich von einem Augenblick auf den anderen aufgestanden und wortlos gegangen. Eleanor hatte ihm verdutzt nachgesehen. Sie hatte ihn noch
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