Hoellenfeuer
fassungslos an, während er unter diesem ungeheuerlichen Vorwurf den Kopf gesenkt hatte. Es tat Eleanor in der Seele weh, ihn so dort stehen zu sehen. Ihr Herz schien unter Schmerzen stehen zu bleiben. Nach einer Ewigkeit wie es schien, hob Raphael langsam den Kopf. Er blickte Samael in die Augen und sagte sehr leise und dennoch fest: „Gott ist mein Zeuge, dass nichts Schlechtes daran ist, einen Menschen zu lieben. Und Gott ist mein Zeuge, dass ich Eleanor liebe…“
Niemand sagte ein Wort. Der Berg war bedeckt von Engeln – sie alle schwiegen. Die Welt stand still.
Schließlich nahm Uriel die Hand von Eleanors Schulter. Wortlos setzte sie sich in Bewegung und ging auf Raphael und Samael zu. Sie blieb neben Raphael stehen und dieser legte seinen Arm um ihre Taille, während er Samael weiter trotzig ansah.
Dann endlich nahm er Eleanor wortlos auf den Arm, während sie ihre Arme um ihn schlang. Sie erhoben sich in die Luft und verließen den Berg des Konzils. Niemand machte Anstalten, sie aufzuhalten. Niemand folgte ihnen.
Es schien Eleanor, als dauerte dieser eine Flug ein ganzes Zeitalter. Sie klammerte sich eng an Raphaels Hals und keiner der beiden sagte ein Wort, während die Zeit verstrich und die Wolken unter ihnen dahinrasten. Eleanor wusste nicht, wohin es ging. Es kümmerte sie auch nicht. Raphaels Worte vor dem Konzil beherrschten ihre Gedanken und Gefühle, füllten sie vollkommen aus und ließen ein wohliges Gefühl von Wärme und Glück durch ihren Körper strömen. Er hatte gesagt, dass er sie liebte – und sie liebte ihn auch. Was hätte jemand wie Samael dagegen tun können?
Nach langer Zeit, wie es schien, sank Raphael tiefer. Er begann die Wolkendecke zu durchstoßen und nun endlich wagte Eleanor zu sprechen.
„Wohin bringst du mich, Raphael?“ , flüsterte sie in sein Ohr.
Raphael schob den Unterkiefer vor und starrte an ihr vorbei.
„Ich bringe dich an einen Ort, an dem dir nichts geschehen wird. Ich gehe davon aus, dass Samael über kurz oder lang wieder versuchen wird, dich aus der Welt zu schaffen.“
„Warum hat er uns nicht aufgehalten, als wir das Konzil verließen?“
Raphael schwieg einen Augenblick. Er zögerte, bevor er leise antwortete.
„Ich denke, wir haben ihn wirklich verwirrt. Er hat nicht gewusst, wie er reagieren soll…“
Samael stand inmitten der Engel dieser Welt und kochte vor Wut. Nur sehr langsam wurde ihm bewusst, dass Raphael und Eleanor das Konzil tatsächlich verlassen hatten. Vor seinen Augen war Raphael emporgeflogen und er hatte Eleanor mitgenommen. Doch Raphaels Bekenntnis zu Eleanor hatte das gesamte Konzil so in Erstaunen versetzt, dass niemand sich ihnen in den Weg gestellt hatte. Auch Samael hatte ihnen nur fassungslos hinterher gestarrt ohne eingreifen zu können.
Und n un stand er hier – alle Augen ruhten auf ihm. Er ballte die Fäuste.
„So weit ist es gekommen “, sagte er mit unterdrückter Wut. Er sprach leise, fast zu sich selbst. Doch ein jeder hatte ihn verstanden.
„Es gibt keinen Grund für deinen Hass auf das Menschenkind Eleanor “, sprach Uriel, während er auf Samael zutrat und seine Hand beruhigend auf dessen Arm legte. „Du musst sie nicht fürchten. Niemand wird ihr glauben und niemand sonst kann die Dinge tun, die sie zu tun vermag. Wie sollte sie Gottes Ordnung umstürzen können? Und selbst, wenn es so wäre – um uns aus dieser Existenz zu befreien, bedürfte es eines Wunders!“
Samael wandte sich langsam zu Uriel um und blickte ihn an.
„Ein Wunder?“, sagte er voll Bitterkeit und wie in Trance. „Fürwahr, ein Wunder ist es, dass wir brauchen. Ich habe die Wunder gesehen, die Gott der Herr gewirkt hat. Ich sah die Wunder, die sein Sohn hat entstehen lassen und ich weiß, dass nur ein Wunder uns aus unseren Alpträumen wird befreien können. Doch woher soll dieses Wunder kommen, Uriel? Glaubst du denn wirklich, dass Gott uns diesen Menschen geschickt hat, um uns zu erlösen? Einen Menschen?“
„Warum sollte es kein Mensch sein?“, fragte Uriel verblüfft.
Einen Augenblick lang starrte Samael Uriel fassungslos an. Dann brach es aus ihm heraus: „Wir sind Engel! Wir sind die Boten Gottes, des Herrn Zebaoth! Eine einzige Berührung von uns kann Menschenheere vernichten! Ein Schrei, und Kontinente stürzen ein! Ein Blick, und ganze Völker stürzen von höchsten Glücksgefühlen in schwerste Depression. Wir stehen so hoch über den Menschen, wie Gott über uns steht! Niemand kann sich
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