Hoellenfeuer
genommen?“, durchbrach Bel ials Stimme die Stille. Tausende von Engeln hielten den Atem an und schlagartig verstummten sämtliche Geräusche auf dem Berg. Seit den Tagen, da Gott dieses Land erschaffen hatte, war es nicht mehr so vollkommen still an diesem Ort gewesen. Selbst der Wind wehte nicht länger und man hätte das Zwinkern eines jeden Lebewesens zu hören vermocht. In diesem Augenblick blickten alle auf diesem Berg auf Samael.
Mit dieser Anklage hatte Raphael seinen wichtigsten Trumpf ausgespielt. Jetzt würde sich erweisen, was er wert war.
Samael sah sich langsam in der Runde um. „Na und?“, höhnte er. „Es waren nur Menschen! Erzählt mir nicht, dass auch nur einer von euch Mitleid mit ihnen hat.“
Nach seinem letzten Wort lastete erneut eine ungeheure Stille wie ein schwerer, bleierner Mantel über dem Berg. Samael wollte gerade wieder den Mund öffnen, als eine leise Stimme die Stille noch vor ihm durchbrach.
„Ich habe Mitleid mit ihnen!“
Es war Naral, die gesprochen hatte . Sie blickte Samael herausfordernd, gar zornig an. Neben ihr legte Uriel sanft seine Hand auf ihren Arm. Samael zögerte einen Augenblick.
„Und wenn schon “, erwiderte er dann spöttisch. „Ich habe es für uns alle getan. Es ging mir nur darum, Gott umzustimmen und davon zu überzeugen, dass er uns in den Himmel zurückrufen möge.“
„Hast du deshalb keinem von uns etwas von deinen Plänen gesagt?“, fragte Belial lauernd. Es war offensichtlich, dass er den Worten Samaels misstraute.
Dieser sah Belial einen Augenblick lang verwundert an. Dann trat er auf die kleine Gruppe zu und blieb unmittelbar vor Eleanor stehen. Er beugte sich zu ihr hinunter und sah sie lange an. Unter seinem Blick wand Eleanor sich innerlich hin und her. Sie war kaum in der Lage, ihm in die Augen zu sehen und begann am ganzen Leib zu schlottern. In diesem Moment hatte sie Angst vor ihm, wie er so riesig, stark und geschmeidig vor ihr stand. Er wirkte gefährlich und unberechenbar, gleich einem Raubtier, das sich nicht hinter schützenden Gitterstäben befindet, sondern Auge in Auge seinem Opfer gegenübersteht und es jederzeit mit einem einzigen Prankenhieb töten kann.
„Mir will scheinen, dass die größere Gefahr durch dich nicht von der Tatsache ausgeht, dass du in unsere Welt zu kommen vermagst “, sagte er dann bedächtig. „Aber du spaltest unsere Einheit!“ Er entließ Eleanor aus seinem Blick, trat wieder in die Mitte des Kreises und breitete die Arme aus. „Seht euch doch an! Wir waren ein Volk von Brüdern! Doch jetzt trauen wir einander nicht länger. Wir müssen um das Schicksal eines einzelnen Menschen diskutieren, anstatt dem Auftrag nachzukommen, den Gott der Herr uns gegeben hat! Ja, es ist wahr – ich habe Gott zu überzeugen versucht, dass er uns wieder in seinem Schoß aufnehmen möge und ich habe dafür Menschen getötet. Doch ihr alle wisst, dass sie dadurch nur zu einem neuen Leben kamen und auch dieses Leben können wir verdammen und sie dann endgültig zur Hölle schicken!“
Samael ballte die Faust und sah sich zornig um.
Flucht
„Ich will einmal für einen kurzen Augenblick glauben, dass du das wirklich in unser aller Namen getan hast und du nicht vorhattest, uns hier allein zu lassen“, erklang Uriels Stimme bedächtig. „Aber warum hast du versucht, Eleanor zu töten?“
„Ich wollte sie nicht töten “, tat Samael diese Frage mit einer verächtlichen Handbewegung ab.
„Dafür hast du aber sehr nachdrücklich versucht, in das Haus zu gelangen!“, warf Belial ein. „Du hättest das Haus in Schutt und Asche gelegt, wenn Marahel und ich dich nicht aufgehalten hätten.“
Wieder setzte ein entrüstetes Raunen und Tuscheln unter den versammelten Engeln ein. Den meisten schien es vollkommen ungeheuerlich, dass zwei niedere Engel Samael, dem Herrn der Gefallenen, den Eintritt in ein Menschenhaus verwehrt hatten.
„Glaubst du wirklich, ihr hättet mich aufhalten können?“, grollte Samael in Richtung der beiden. „Gebt euch keiner falschen Illusionen hin, Belial!“
„Worüber streiten wir hier eigentlich?“, erklang eine Stimme aus der Menge der Engel. Es war eine überaus wohltönende und angenehme Stimme gewesen. Auch Eleanor hatte sie vernommen und sie wusste vom ersten Augenblick an, dass sie dieser Stimme stundenlang hätte zuhören können. Sie war sanft und friedlich gewesen. Ohne jede Falschheit oder Arglist. Alle Augen blickten in die Richtung, aus der die Stimme
Weitere Kostenlose Bücher