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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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dahingemetzelt worden war, den hatte man nach Aleppo verschleppt um Rache für die verlorenen Schlachten der letzten zwei Jahrzehnte und das Massaker von Jerusalem zu nehmen. So war auch Fulk de Charney nach Aleppo verschleppt worden. Und nun wurden schon den ganzen langen Tag christliche Gefangene aus den Kerkern der Festung auf die Markplätze und die Straßen der Stadt geschleift, um sie dort vor den Augen der aufgepeitschten und entfesselten Menge öffentlich zu Tode zu foltern.
    Fulk schloss die Augen. Nur er war noch übrig. Es konnte nicht mehr lange dauern und man würde auch ihn holen. Er würde das Geräusch des Schlüssels im Schloss hören, die Tür würde sich öffnen und die schwer bewaffneten muslimischen Schergen würden auch ihn hinausbringen.
    Wenn Fulk aufmerksam lauschte, hörte er immer wieder die aufgebrachte Menge draußen in der Stadt gemeinschaftlich aufschreien, wenn wieder irgendetwas geschah, dass ihren Blutdurst anstachelte. Bald wäre er dran. Er zitterte am ganzen Leib vor Angst und innerer Kälte. Als er vor zwei Jahren aus Westeuropa ins Heilige Land gezogen war um Heiden zu erschlagen, hätte er sich nie vorstellen können, dass er so enden könnte. Aus dem stolzen und edlen Ritter, der in Frankreich aufgebrochen war um dem Herrn zu dienen, war ein heruntergekommenes Elendsbündel geworden. Sein Kettenhemd und seine Waffen hatte sich der Feind genommen, nur seinen zerrissenen Waffenrock hatten sie ihm gelassen. Schmutzstarrend, hungrig und um sein nacktes Leben fürchtend, kauerte er hier im finsteren Dreck und wartete auf einen qualvollen Tod in den Straßen von Aleppo.
    „Ihr sitzt wahrhaftig tief im Dreck, Herr Ritter “, erklang eine Stimme aus der Dunkelheit der Zelle.
    Fulk zuckte zusammen. War er doch nicht der letzte gefangene Christ hier im Kerker gewesen? Gab es noch jemanden, der hier mit ihm zusammen die letzten Augenblicke auf die Erfüllung ihres Schicksals wartete? Fulks Augen suchten beinahe panisch die Dunkelheit zu durchdringen, doch alles was er sah, waren die düsteren Mauern der Zelle, die schmutzigen Strohbinsen auf dem Boden und die glitzernden Staubpartikel, die von einem verirrten Lichtstrahl beleuchtet, in der Luft tanzten.
    „Ich bin hier an eurer Seite “, erklang die Stimme wieder. Fulks Blick schnellte herum und dort, direkt neben ihm, hockte das wohl beeindruckendste Wesen, dass er je gesehen hatte. Auf allen Vieren kroch er, so schnell es sein leerer Magen noch zuließ, in die nächstgelegene Ecke der Zelle und starrte voll Furcht und Entsetzen auf den Engel, der nur wenige Meter von ihm entfernt in seiner Zelle hockte.
    Der gesamte Raum war plötzlich in ein warmes, pulsierendes Licht getaucht. Es strahlte die Wände bis in den letzten Winkel an und verwandelte die schreckliche Kerkerzelle in einen Ort des Friedens und der Ruhe. Die Zeit schien still zu stehen.
    Fulk beäugte die seltsame Gestalt des Engels, die dort vor ihm hockte und seinen Blick offenkundig amüsiert erwiderte. Das Lichtwesen schien nackt zu sein, doch Geschlechtsteile hatte es offenbar nicht, wie Fulk irritiert bemerkte. Vom Körperbau her war es ein Mann mit perfekten Proportionen und von  beeindruckender Größe soweit sich das sagen ließ, denn das Wesen hockte noch immer am Ende der Pritsche, auf der Fulk bis eben noch gesessen hatte. Vor allem aber hatte es Flügel auf seinem Rücken. Ein mächtiges Paar Flügel, dessen Spannweite ebenfalls kaum zu erahnen war, da sie durch die Enge der Kammer zusammengefaltet waren.
    „Schickt dich der Herr, um mich aus meiner Not zu erlösen?“, flüsterte Fulk. Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen, rau und brüchig durch die Ängste des heutigen Tages und die Furcht vor dem unbekannten Wesen, das dort vor ihm hockte.
    „Nein!“, brüllte der Engel, dass es von den Wänden der Zelle widerhallte. Mörtel rieselte von der Decke und Fulk vermeinte gar gespürt zu haben, wie der Boden unter seinen Füßen bebte. Der Schrei des Engels war wie ein Peitschenschlag auf die Erde gewesen.
    Langsam erhob er sich und ging auf Fulk zu. Seine Bewegungen waren anmutig und fließend, fast als ob die Schwerkraft nicht für ihn gelte.
    „Nein, Herr Ritter. Der 'Herr' hat mich nicht gesandt “, erwiderte der Engel nach einem Augenblick, in dem er sich etwas beruhigt zu haben schien. Er hatte einen beinahe zynischen Unterton bei diesen Worten und schaute den völlig verängstigten Menschen vor seinen Füßen giftig an.
    Fulk hatte sich vor

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