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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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offen und freundlich und blickte wie das eines Menschen, der in seinem ganzen Leben noch nie eine schlechte Erfahrung gemacht hatte.
    Irritiert bemerkte Eleanor, dass Raphael nackt zu sein schien, sofern sich das durch das Licht sagen ließ, welches seinen gesamten Körper umgab und aus ihm heraus strahlte. Doch am Beeindruckendsten war das mächtige Paar Flügel auf seinem Rücken. Es gab keinen Zweifel für Eleanor – Raphael entsprach genau dem, was sie sich immer unter einem Engel vorgestellt hatte.
    „Ich weiß, dass dies hier nur ein Traum ist “, sprach sie schließlich. „In Stratton Hall warst du ein Mensch. Aber hier bist du ein Engel. Wie kann das sein?“
    Raphaels Miene verfinsterte sich einen Augenblick, als er vom Sanatorium hörte. Seine Stimme klang seltsam abwesend als er sagte: „Traum und Wirklichkeit liegen oft näher beieinander als man denkt. Aber für mich ist dieser Ort die Wirklichkeit und Stratton Hall nur ein Traum. Ein Alptraum...“
    „Ich bin in keiner der beiden Welten ein Engel “, erwiderte Eleanor nach einer Weile. „An mir scheint es nichts Ungewöhnliches zu geben.“
    Raphael lachte. „Aber Eleanor. Du bist doch hier. Noch nie zuvor ist jemand hier gewesen und doch stehst du schon zum zweiten Mal vor mir. Irgendetwas an dir ist ganz zweifellos höchst ungewöhnlich, wenngleich ich auch nicht weiß, was genau es sein mag.“
    Eleanor lächelte. Dann aber zog sie wieder die Stirn kraus.
    „Ich verstehe aber noch immer nicht, warum du an diesem Ort die Gestalt eines Engels hast.“
    „Ich weiß“, seufzte Raphael. „Dir kommt einfach nicht die Möglichkeit in den Sinn, dass ich tatsächlich ein Engel sein könnte.“
    Eleanor stutzte.
    „Ja, es stimmt“, fuhr Raphael fort. „Ich bin ein Engel. Und noch vor zweihundert Jahren hätte jeder mir geglaubt. Sieh mich doch einfach an.“
    Raphael breitete seine gewaltigen Schwingen aus und urplötzlich war der gesamte Saal in ein gleißend helles Licht getaucht. Raphael lächelte wieder. Kein Zweifel – wenn irgendjemand wie ein Engel aussah, dann war er es in diesem Augenblick.
    „Frage dich selbst, wie es sein kann, dass wir in der anderen Welt in einem Sanatorium leben und einander dennoch hier treffen können “, sprach Raphael. „Wenn wir wieder zurück sind, werden wir beide uns an das erinnern können, was wir jetzt und hier gesagt haben. An jedes Wort. Zwischen uns besteht eine Verbindung, Eleanor. Und wenn du mir eine logische Erklärung dafür geben kannst, dann kannst du mir auch sagen, dass ich unmöglich ein Engel sein kann.“
    Eleanor zögerte. Zweifellos hatte Raphael insoweit recht, als dass sie nicht erklären konnte, wie sie beide außerhalb der Realität des Sanatorium s von Stratton Hall hier an diesem Ort sein konnten. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass sie lediglich träumte, doch wie konnte der Mann, den man dort 'Nummer Sieben' nannte und der hier Raphael hieß, die gleichen Träume haben? Und warum war er der Ansicht hier in der Realität zu leben, während das Sanatorium für ihn nur ein Traum war? Immerhin war eines unbestreitbar – Raphael sah an diesem Ort wie ein Engel aus. Weit ungewöhnlicher aber war das Gefühl, das er in ihr auslöste. Als sei das Licht, welches er unablässig ausstrahlte, eine Wolke aus Emotionen, so hüllte er seine ganze Umwelt in pures Wohlgefühl. Es war unglaublich wohltuend, einfach nur in seiner Gegenwart zu stehen. Man fühlte sich sicher und geborgen. Ein Mensch aus Fleisch und Blut hatte dieses Gefühl noch nie in Eleanor ausgelöst und sie bezweifelte, dass irgendein ihr bekanntes Lebewesen dazu in der Lage gewesen wäre. Genau das hatte sie in einen Selbstmordversuch getrieben. Eleanor hätte alles dafür gegeben, dieses Gefühl für immer in sich tragen zu können.
    „Komm mit “, sprach Raphael in diesem Augenblick und nahm sie an die Hand. Ein Glücksgefühl durchzuckte sie so plötzlich, dass ihr für einen Augenblick schwarz vor Augen wurde und ihre Knie zu zittern begannen.
    Raphael musste das gespürt haben, denn er ließ Eleanors Hand unvermittelt los und trat betroffen einige Schritte zurück. Seine Stirn legte sich in Falten und er blickte zerknirscht drein.
    „Verzeih. Ich hatte vergessen, dass meine Berührung auf Menschen solch eine Wirkung haben kann. Es ist eine Weile her, dass ich das letzte Mal einen Menschen berührt habe.“
    Eleanor atmete noch immer schwer. In dem Augenblick, als Raphael seine Hand zurückgezogen hatte, war

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