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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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ist nicht Teil der Realität, es gibt ihn nicht wirklich“, erwiderte er mit leerer Stimme. „Er ist eine Traumwelt, eine Geisterwelt, in die sich meine Seele zurückgezogen hat, um die wirkliche Welt da draußen nicht sehen zu müssen. Du befindest dich in einer Zwischendimension, die von menschlichen Körpern nicht gesehen oder betreten werden kann. Das was du hier siehst ist lediglich, was meine Seele sieht. Für mich ist Gottes Schöpfung leer und trostlos. Grau und tot. So wie dieser Palast. Er ist ohne Gott... Ich… ich kann ihn einfach nicht sehen... nicht spüren!“
    Raphael wandte sich ab und verbarg sein Gesicht. Eleanor wusste nicht, ob Engel weinen können, doch in diesem Augenblick wirkte es, als kämpfe Raphael mit den Tränen.
    „Mein Körper ist dort draußen in Stratton Hall“, fuhr Raphael schließlich müde fort. „Er erscheint euch als der Körper eines Menschen, denn meine Seele – das, was mich zum Engel macht und mich von euch unterscheidet – ist hier gefangen.“
    „Warum kann ich hier stehen und in deine Seele sehen?“, sagte sie mehr zu sich selbst.
    „Es muss an dem Schlafmittel liegen, dass man dir gegeben hat“, antwortete Raphael ohne sie anzusehen. „Hat es noch andere Nebenwirkungen?“
    „Allerdings. Ich kann einige Zeit nach dem Aufwachen bemerkenswert gut hören. Es ist fast so, als könnte ich in einem Umkreis von mehreren Hundert Metern alles verstehen, was gesprochen wird.“
    „Es ist wohl ein bewusstseinserweiterndes Mittel. Im Wachzustand erfasst dein Gehör Dinge, die in weiter Ferne gesagt werden. Wenn du schläfst, erfasst dein Geist offenbar Gedanken. In Stratton Hall sind es meine Gedanken, die du besonders gut wahrnehmen kannst.“
    Eleanor nickte. „So muss es sein. Aber hast du eine Idee, warum sich der Palast verändert? Jedes Mal wenn ich hierher komme, sieht der Palast anders aus.“
    „Ich weiß es nicht. Als ich durch Gottes Befehl aus dem Himmel fiel, sah seine neue Welt zunächst wunderschön aus. Dann aber veränderte sie sich. Mehr und mehr erschien sie mir wie ein riesiger Palast, der leer und öde dastand. Je mehr ich Gottes Nähe vermisste, desto finsterer wurde meine Welt. Ich lief durch leere Räume, denn nichts in Gottes Welt war noch wichtig für mich. Ohne ihn war alles tot und kalt.“
    „Ich weiß genau, was du meinst “, erwiderte Eleanor trübsinnig. „Als ich depressiv wurde, sah ich die Welt genau wie du. Ich nahm nichts Gutes mehr war. Alles war grau und tot in mir drin.“
    Raphael nickte. „Wir scheinen uns in einigen Punkten sehr ähnlich zu sein.“
    Eleanor lächelte gequält. „Du hast dich völlig von der Welt abgeschottet“, stellte sie fest. „Drüben in Stratton Hall bist du nicht ansprechbar.“
    „Sprich mich an und ich werde versuchen, dir zu antworten “, antwortete Raphael mit einem schiefen Lächeln. Eleanor liebte ihn dafür.
    Ein Zittern durchlief den Palast und gleichzeitig durchdrang ein schrilles Klingeln Raphaels Welt. Der Wecker, dachte Eleanor. In diesem Moment wachte sie auf und der Tote Palast verschwand vor Eleanors Auge.
     
    Es dauerte diesmal geraume Zeit, bis Eleanor ihre Umwelt wieder wahrnahm. Es schien offensichtlich, dass das Tetradyxol sie von Mal zu Mal stärker beeinflusste. Der Wecker zeigte schon halb Sieben an, als sie sich endlich aus dem Bett quälte. Die Stimmen in ihrem Kopf waren dieses Mal überschaubar gewesen, da durch die frühe Uhrzeit noch nicht allzu viele Menschen in Stratton Hall wach waren. Vielleicht zehn Stimmen hatte Eleanor voneinander unterscheiden können, doch auch das war bereits so irritierend und beängstigend gewesen, dass sie warten musste, bis das Tetradyxol zu wirken nachließ, bevor sie aufstehen konnte.
    Dann machte sie sich schnell fertig und zog sich an. Die Schwester, welche bald zum Wecken käme, würde es sicher als gutes Zeichen werten, wenn Eleanor jetzt schon von allein aufstand.
    Während sie sich die Haare bürstete, durchzuckte sie ein Gedanke. Heute war Montag und Dr. Marcus würde zweifellos das Fehlen der Tabletten bemerken. Plötzlich schien ihr Versteck unter Eleanors Tisch nicht mehr sicher genug. Vielleicht würde man ihr Zimmer durchsuchen und wenn die Tabletten bei ihr gefunden würden, käme sie in Teufels Küche. Sie dachte einen Augenblick lang nach. Dann fasste sie einen Entschluss. Sie kramte in ihrem Koffer nach einer kleinen Plastiktüte. Dann angelte sie die Tabletten unter dem Tisch hervor und verpackte sie sorgfältig

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