Hoellenflirt
unterbricht Schwallfi meine Gedanken und zupft seine rosa Gerichtskrawatte in Form. Er hat für jede Gelegenheit eine; für Mandantengespräche, für Sitzungen, zum Joggen, zum Einkaufen, zum Fernsehschauen, fürs Klo.
»Super!«, nuschle ich, bloß keine Diskussion jetzt. Ich lege einen Toast auf meinen Teller und starre den Teller an. Wo ist die Scheißzeitung?
»Schau mich an, wenn ich mit dir rede!«, blafft er, der freundlich-aufmerksame Ton ist immer nur Maskerade, die Mama täuschen soll. Er ist froh, wenn wir endlich ausziehen, aber Mama glaubt, er liebt uns. Ha.
Ich starre ihm ins Gesicht. Jetzt wird er als Nächstes sagen, dass ich nicht so frech schauen soll.
»Du siehst ziemlich mies aus. Zu lange aus gewesen?«, fragt er stattdessen.
»Antoinette war im Gegensatz zu mir den ganzen Abend zu Hause!«, kommt mir Kati zu Hilfe. Sie zwinkert mir zu, aber als sie meine Miene bemerkt, stutzt sie.
Kati hat heute ein Outfit gewählt, als wäre sie die Chefsekretärin der Bayerischen Landesbank, ganz im grauen Kostüm. Wie kann man nur so rumlaufen! Schwallfi mustert sie genauso wie ich, aber er findet’s natürlich toll.
»Jetzt esst mal, ihr beiden, damit ihr was im Bauch habt, bevor die Schule losgeht.« Mama kommt zu uns an den Tisch und verteilt das Rührei, das sie gerade zubereitet hat.
Mir wird flau.
»Wie geht es eigentlich dem kranken Schaf, das ihr vorgestern operiert habt?«, heuchelt Schwallfi Interesse.
»Schon viel besser, aber es braucht noch ein paar Tage Ruhe, bevor es wieder auf die Weide kann.«
»Wieso wurde es eigentlich nicht gleich geschlachtet?«, fragt Kati, der man solche Fragen nie übel nimmt. Wenn ich das gefragt hätte, wäre das als Provokation und mit »Entschuldige dich sofort bei deiner Mutter!« geahndet worden. Aber bei Kati...
Mama lächelt. »Es war noch nicht groß genug und soll noch ein bisschen Wolle bringen, bevor es geschlachtet wird.«
»Fressen und gefressen werden!«, grinst Schwallfi in die Runde und nimmt demonstrativ ein Stück Schafskäse, damit es auch jeder checkt.
Nun ist mir richtig übel.
So schlecht war mir das letzte Mal beim Oktoberfest, nachdem ich eine Currywurst mit Pommes rot-weiß gefuttert hatte und gleich danach Achterbahn gefahren bin. Ich stürze zum Klo, was mir wieder missbilligende Blicke von Schwallfi einbringt.
Beim Blick in die weiße Kloschüssel würge ich zwar, aber es kommt nichts. Mama ist mir gefolgt.
»Hast du dir den Magen verdorben?«
»Vielleicht.«
»Willst du lieber zu Hause bleiben?« Sie legt ihre Hand auf meine Stirn. »Fieber hast du aber keins.« Ein prüfender Blick scannt mein Gesicht. »Was ist denn los?«
Ich zucke mit den Achseln. »Nichts«, lüge ich. Als ich den genervten Ausdruck in ihren Augen erkenne, füge ich schnell noch hinzu: »Mir ist nur übel und ich hab Bauchweh.«
»Dann bleibst du zu Hause. Soll ich bei Dr. Wagner einen Termin machen und heute freinehmen? Wir haben zwar heute diese schwierige OP, aber...«
Bloß nicht. »Nein, Mama! Ich werde jetzt eine Cola trinken und Salzstangen knabbern und im Bett bleiben. Ich bin ja kein Kleinkind mehr, okay?«
»Na gut«, erleichtert streicht sie über meine Haare, »dann leg dich wieder hin.«
Kaum habe ich mich in meinem Bett verkrochen, kommt Kati mit einem Tablett herein. Sie balanciert in ihren schwarzen Pumps über die Klamotten, die auf dem Boden herumliegen, und stellt das Tablett neben mein Bett.
»Ganz sicher hat es was mit Valle zu tun. Du benimmst dich immer total irre, wenn der Kerl ins Spiel kommt.«
»Danke für die Cola. Viel Spaß mit Robert.«
Kati setzt sich auf die Bettkante. »Du bist gemein, du weißt genau, ich würde nie etwas tun, was dich verletzt. Also, wenn du willst, dann gehe ich Robert aus dem Weg.«
»Lass mich einfach in Ruhe.«
»Na, dann gute Besserung noch!« Kati knallt meine Tür zu.
Bitte! Sie sollen doch alle nur abhauen!
Raus hier!
Ich muss endlich Valle erreichen und mit ihm reden, noch besser, mich mit ihm treffen. Ich muss endlich wissen, was er mit dem Detektiv gemacht hat.
Kaum höre ich die Wohnungstür das letzte Mal klappern, springe ich auf und haste in die Küche, um die Zeitung zu holen. Ich finde sie schließlich auf dem Klo, wo Schwallfi sie liegen gelassen hat. Ich schaue alle Teile durch, sogar Sport und Wirtschaft und Autos, aber da steht nirgends etwas über einen toten Mann, den man irgendwo in München gefunden hat.
Zwischendrin versuche ich ständig, Valle ans Handy
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