Hoellenfluestern
und eine winzige Lichtkugel schwebte über der bedruckten Seite. Jetzt konnte sie die Worte besser erkennen. Doch im Licht war auch der dünne Schweißfilm auf Morts Stirn zu erkennen, der seine Angst verriet. Was Rileys Selbstvertrauen nicht besonders stärkte.
Verdammt . Sie war von Luzifer, von Ori und von ihren eigenen bescheuerten Entscheidungen in diese Ecke gedrängt worden. Unter ihrem Hemd knisterte etwas, der Brief ihres Vaters. Alles wird gut . Das hatte er immer gesagt. Vielleicht hatte er dieses Mal recht.
»Wir brauchen die Dämonenkralle«, sagte Mort. »Leg sie mitten auf das Buch.« Riley tat, wie geheißen, und die silberne Kette schlängelte sich um die schwarze Kralle. Sie erinnerte sie an Beck, an den Tag, als er ihr den Anhänger geschenkt hatte. Wie besorgt er gewesen war, er könnte ihr nicht gefallen! Selbst damit hatte er ihr gezeigt, wie viel sie ihm bedeutete.
Er ist irgendwo da draußen. Er und Simon und der Rest von ihnen. Sie werden sterben, wenn ich das hier nicht richtig mache .
»Wir beginnen damit, diesen besonderen Dämon zu beschwören«, erklärte Mort. »Wenn das funktioniert, führen wir den Lösungszauber durch. Lass dir Zeit. Wir haben es nicht eilig.«
Noch nicht . Doch sobald sie die erste Beschwörungsformel sprach, würde Ozymandias Bescheid wissen. Wahrscheinlich würde er seine Höllenbrut losschicken, und die Schlacht würde beginnen.
»Lass dich durch nichts ablenken. Das ist lebenswichtig«, warnte Mort.
Riley nickte. Ihr Herz raste so schnell, dass sie Schwierigkeiten hatte, zu atmen. Was, wenn ich mittendrin eine Panikattacke bekomme? Was, wenn … Ayden berührte sie am Arm, gewann ihre Aufmerksamkeit und malte irgendein Zeichen in die Luft zwischen ihnen. Sie hatte das zuvor schon einmal getan, auf dem Markt, und behauptet, sie hätte eine Mücke verscheucht.
»Was machst du da?«, wollte Riley wissen.
»Einen Erdungszauber. Er wird dir helfen.«
Und das tat er, obwohl Riley keine Ahnung hatte, wie. Das Atmen fiel ihr allmählich leichter, und ihre Muskeln entkrampften sich. Sie konnte sogar durch den Schutzkreis hindurchsehen.
»Manchmal sind diejenigen die Stärksten, die genau das Gegenteil zu sein scheinen«, sagte Ayden, den Blick auf den Totenbeschwörer gerichtet. »Der Mut ist da. Du musst ihn nur tief in dir aufspüren.«
»Ich versuche es.«
Mort begann mit seiner Beschwörung. Was immer er sagte, klang ziemlich ernst, aber das war bei Latein ja immer so. Als die Zauberformel vollständig war, reichte er ihr ein Stück Papier. »Lies das.«
Riley befolgte seine Anweisung. Der Spruch bestand nur aus zwei Zeilen, und das war schnell geschafft. Als sie fertig war, nahm Mort das Blatt und schleuderte es in die Luft, wo es in blauen Flammen aufging. Es verbrannte und rieselte als feine, blaue Asche zu Boden.
»Das war ja gar nicht so schlimm.« Besser als befürchtet. Deswegen war ich so aufgeregt?
»Nein, das war ein ziemlich einfacher Zauber. Jetzt warten wir ab, ob dein Dämonenfreund sich blicken lässt«, antworte Mort. »Die Kralle wird sich bewegen, wenn die Kreatur sich nähert. Dann werden wir den Lösungszauber sprechen. Der ist unendlich komplizierter.«
Die Zeit verstrich. Riley versuchte, nicht herumzuzappeln, ohne Erfolg. Sie wollte den Brief ihres Vaters noch einmal lesen, aber nicht vor den anderen. Das war etwas, das nur sie beide etwas anging. Die feinen Härchen in ihrem Nacken begannen sich aufzurichten, eine primitive Reaktion auf eine unsichtbare Bedrohung. Eine Sekunde später begann die Dämonenkralle auf der Buchseite hin und herzurutschen.
Weit hinter ihnen ertönte ein schnüffelndes Geräusch, dann folgte ein langes, wehklagendes Heulen. Der Dämon stand jenseits der nördlichen Friedhofsmauer – er war klug genug, den geweihten Boden nicht zu betreten und damit seine Vernichtung zu riskieren.
»Ich hab’s geschafft«, grinste Riley. »Wow!«
»Das hast du. Jetzt beginnen wir mit dem Lösungszauber, und …«, begann Mort. Dann versagte seine Stimme.
Ein Paar rötlich-gelber Augen starrte sie von außerhalb des Kreises an. Der Dämon stand auf geweihtem Boden.
32.
Kapitel
»Das geht nicht! Er kann nicht hier sein!«, schrie Riley auf. »Er sollte längst verschmort sein!«
Mort holte langsam und tief Luft, um sich zu sammeln. Dann zeigte er auf den Dreier. »Siehst du die schwache rote Aura um ihn herum? Die gehört zu Ozymandias’ Reanimations-Zauber. Dadurch kann er geweihten Boden betreten.«
»O
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