Hoellenfluestern
desto stärker erwärmte die Magie sie, als stünde sie nackt zur Mittagszeit in der Wüste. Jeder Sonnenstrahl war eine wahnsinnig spitze Nadel.
Sie stolperte über das fünfzehnte Wort. Mort hob den Spruch auf … noch einmal.
»Gib mir ein paar Minuten«, sagte Riley. Ihr Kopf pochte so heftig, dass sich ihre Augäpfel anfühlten, als würden sie jeden Moment explodieren.
»Geht nicht«, sagte Ayden, den Blick auf das Stück Friedhof hinter ihnen geheftet. »Noch mehr Dämonen kommen über die Mauer.«
Riley warf einen raschen Blick über die Schulter – die Bewegung tat ihrem Kopf überhaupt nicht gut – und sah die dunklen Gestalten über die steinerne Mauer klettern. Sobald sie auf dem Boden waren, bewegten sie sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Alle hatten sie diese unheimlichen rötlich-gelben Augen.
Das Funkgerät neben ihr knackte, und sie fuhr erschrocken zusammen. Die Jäger hatten ihre Feinde erspäht und rückten vor.
Die Dämonen hatten den Kreis erreicht, ehe sie einen weiteren Atemzug nehmen konnte. Statt zu heulen und sich gegen den Schutzkreis zu werfen, um ihn zu durchbrechen, scheuten sie zurück, als ihnen die Magie in die Nasen stieg.
Einer von ihnen hob die Schnauze und starrte Riley direkt an. Es war ein ausgewachsener Dreier mit spitzen, verfärbten Zähnen. Er war noch am Leben, so dass ihm der Geifer aus dem Maul tropfte. Er stimmte ein Heulen an, und die anderen fielen ein, wie ein Rudel tollwütiger Wölfe.
Riley hielt sich die Ohren zu und versuchte, das Geräusch auszublenden, bebend vor grenzenlosem Entsetzen. Sie würden sie töten, sie und Mort und Ayden, und dann Beck in Stücke reißen und … Jemand schüttelte sie am Arm, aber sie achtete nicht darauf. Das Schütteln wurde stärker.
»Riley!« Es war der Nekromant. Als sie die Hände von den Ohren nahm, war das Heulen noch lauter geworden.
»Ich weiß, dass du Angst hast, aber wir müssen die Sache durchziehen«, mahnte Mort. »Mach ganz langsam und ignorier die Viecher.«
Das war unmöglich. Sie hatten es weiterhin auf sie abgesehen, grunzend und geifernd deuteten sie mit ihren Klauen auf sie. Kehlige Stimmen hallten in ihrem Kopf wider, flüsterten ihr ein, dass sie zu schwach war, um den Bann zu brechen, dass sie sie zerfleischen würden, sobald sie auch nur einen Fehler machte. Dass es besser war, sie würde aufgeben; dann würden sie vielleicht Gnade zeigen.
Als ob ich das glauben würde.
Riley schloss die Augen und dachte an flauschige Kaninchen. Vor allem an Rennie. Wie aufrichtig Beck dieses kleine Tierchen liebte. Wenn das hier alles vorbei war, würde es überall um sie herumhoppeln, während sie dasaßen und Haferkekse aßen. Vielleicht würden sie sich küssen. Aber das alles konnte nur geschehen, wenn sie den Zauber vollständig durchzog.
Riley schlug die Augen auf, konzentrierte sich auf die Worte und ignorierte alles andere um sie herum. Das Scharren von Klauen, die an Grabsteinen gewetzt wurden, das Heulen, das ständige Flüstern in ihrem Kopf. Sie ignorierte alles. Es gab nur noch das Latein, den Spruch und die Kralle.
Die Sätze wurden umso schwerer auszusprechen, je trockener ihr Mund wurde. Sie wagte nicht, innezuhalten. Nur noch ein paar mehr . Und danach noch ein paar.
Schließlich waren keine Worte zum Vorlesen mehr da. Das Blatt zitterte so heftig, dass sie es kaum festhalten konnte.
»Wirf das Papier in die Luft«, befahl Mort. Hoch damit, und schon ging es in hübschen blauen Flammen auf, fast wie ein Feuerwerk. Außerhalb des Kreises sahen die Dämonen es verbrennen und wichen knurrend zurück.
Habe ich es geschafft?
Ehe sie fragen konnte, traf etwas von außen den Schutzkreis, als würde ein Vorschlaghammer auf ein Ei eintrommeln. Der Boden vibrierte, und die Grabsteine in der Nähe zersprangen. Speere aus uralten Steinen wurden in alle Richtungen geschleudert. Die Hexe schrie auf, riss die Arme hoch und wehrte den Angriff ab. Goldene Magie bildete im Inneren des Kreises einen Bogen.
»Hilf ihr!«, schrie Riley.
Mort war bereits auf den Beinen und stand ihr mit seiner eigenen Magie bei. Das Gold und das Blau verwandelten sich in ein hell leuchtendes Grün, als die Zauberkräfte zusammenfanden und einander verstärkten.
Es war genauso schnell vorbei, wie es gekommen war. Als Riley wieder durch den Schutzkreis sehen konnte, waren die Dämonen verschwunden.
»Haben wir es geschafft?«, fragte sie. »O mein Gott, wir haben es geschafft!«
In der Ferne ertönten Rufe,
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