Höllenflut
Flugzeughangar aufgekreuzt, in
dem ich wohne«, antwortete Pitt seelenruhig.
»Und wie ging's weiter?«
»Da sie sich nicht an die geringsten Anstandsregeln hielten,
mußte ich sie leider wieder wegschicken.«
Pitt betätigte den Anlasser, worauf der Motor leise schnurrend
ansprang, ehe er mit allen acht Zylindern satt aufröhrte. Ein
gedämpftes Surren drang aus dem Getriebe, als Pitt vom ersten
bis zum dritten Gang hochschaltete. Ruhig und majestätisch
rollte der großartige Wagen durch die Straßen von Washington.
Julia sah ein, daß sie Pitt keine weiteren Erklärungen
entlocken konnte. Sie ließ sich in den breiten Ledersitz
zurücksinken und genoß die Fahrt und die verdutzten Blicke der
Passanten.
Kurz nachdem er auf der Wisconsin Avenue den District of
Columbia verlassen hatte, bog Pitt in eine kurvenreiche
Wohnstraße ab, die von hohen, im frischen Frühlingslaub
stehenden Bäumen gesäumt war, und hielt vor einem
monströsen, mit ineinander verschlungenen Drachenleibern
verzierten Eisentor. Die zwei chinesischen Wachposten in den
schmucken Uniformen bestaunten einen Moment lang den
riesigen Wagen, dann traten sie vor und verlangten die
Einladungskarten zu sehen. Pitt reichte sie durch das Fenster
und wartete, während die Posten die Gästeliste durchgingen.
Sobald sie sich davon überzeugt hatten, daß Pitt und Julia zu den
geladenen Gästen zählten, öffneten sie mittels einer
Fernbedienung das Tor. Pitt steuerte den Duesenberg über die
lange Auffahrt und hielt unter einem Portikus vor dem Eingang
zu dem hell erleuchteten Herrenhaus.
»Ich muß Harper unbedingt mein Lob aussprechen«, sagte
Pitt. »Er hat uns nicht nur die Einladungskarten besorgt, sondern
auch noch unsere Namen auf die Gästeliste geschmuggelt.«
Julia wirkte plötzlich verschüchtert wie ein junges Mädchen,
das sich zum ersten Mal dem Tadsch Mahal nähert. »Ich bin
noch nie auf einer großen Washingtoner Party gewesen.
Hoffentlich blamiere ich dich nicht.«
»Bestimmt nicht«, versetzte Pitt. »Du mußt dir einfach nur
sagen, daß es sich um ein großes gesellschaftliches Tamtam
handelt, bei dem sich jeder nach besten Kräften verkaufen will.
Denn genau deswegen schmeißen die Reichen und Mächtigen in
Washington diese Feten. Letztlich läuft's darauf hinaus, daß alle
zusammenglucken, sich besaufen, mächtig wichtig tun und sich
allerlei Tratsch und Klatsch erzählen, dazwischen auch das eine
oder andere Interessante. Meistens sind das ziemlich dröge
Veranstaltungen, die von der sogenannten Washingtoner
Gesellschaft nur wahrgenommen werden, weil sie eine
Abwechslung zum mickrigen politischen Alltagsgeschäft
bieten.«
»Du tust ja so, als ob du schon mal bei einer gewesen wärst.«
»Ich habe dir doch in der Grapevine Bay erzählt, daß mein
Vater Senator ist. In meiner ungestümen Jugend bin ich da
immer hingegangen und habe versucht, die Mätressen der
Abgeordneten aufzureißen.«
»Mit Erfolg?«
»So gut wie nie.«
Hinter ihnen hielt eine große Limousine und lud mehrere
Gäste ab, die alle bewundernd zu dem Duesenberg schauten.
Wie auf Kommando tauchten zwei Parkpagen auf. Schwere
Limousinen und teure ausländische Autos nahmen sie
normalerweise gar nicht mehr wahr, doch der hier beeindruckte
sie. Fast ehrfürchtig öffneten sie die Türen.
Pitt bemerkte einen etwas abseits stehenden Mann, der sich
die Neuankömmlinge samt ihrem Fahrzeug genauestens ansah.
Dann drehte er sich um und begab sich eilends ins Haus. Ohne
Zweifel ein Späher, dachte Pitt, der seinem Boß jetzt petzt, daß
Gäste eingetroffen sind, die ein bißchen aus dem Rahmen fallen.
»Hoffentlich verliere ich nicht die Beherrschung, wenn ich
Qin Shang gegenüberstehe«, flüsterte Julia, als sie Arm in Arm
durch das von Säulen gesäumte Portal schritten. »Ich würde ihm
am liebsten ins Gesicht spucken.«
»Sag ihm doch einfach, daß du die Reise auf seinem Schiff
genossen hast und dich schon jetzt auf die nächste freust.«
Ihre grauen Augen funkelten wütend. »Den Teufel werde ich
tun.«
»Vergiß nicht, daß du dienstlich hier bist«, mahnte Pitt, »als
Agentin des INS.«
»Und du?«
Pitt lachte. »Ich habe dich bloß hergefahren.«
»Du tust ja so, als ob dich das alles nichts anginge«, versetzte
sie. »Dabei können wir froh sein, wenn wir hier mit heiler Haut
davonkommen.«
»Solange wir uns unter die Gäste mischen, kann uns nichts
passieren. »Problematisch wird's, wenn wir aufbrechen.«
»Keine Angst«,
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