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Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Wenn er überrascht war, daß Pitt noch lebte, ließ er es
sich nicht anmerken. Eine ganze Zeitlang schaute er Pitt mit
seinen jadegrünen Augen an, doch der hielt seinem Blick eisern
stand. Pitt wußte verdammt genau, daß dieses gegenseitige
Anstarren dumm und unsinnig war und allenfalls dem Sieger in
seiner Eitelkeit schmeichelte. Langsam hob er den Blick,
musterte Qin Shangs Augenbrauen, dann die Stirn und
schließlich die Haare. Pitt, riß kurz die Augen auf, so als habe er
etwas entdeckt, und verzog den Mund zu einem leichten
Grinsen. Der Trick funktionierte. Qin Shang ließ sich aus der
Ruhe bringen. Unwillkürlich blickte er nach oben. »Darf ich
fragen, was Sie so komisch finden, Mr. Pitt?«
»Ich habe mich bloß gefragt, wer Ihnen wohl die Haare
geschnitten hat«, erwiderte Pitt unschuldig.
»Eine Chinesin, die mich einmal am Tag frisiert. Ich nenne
Ihnen gern den Namen, aber sie steht nur mir persönlich zur
Verfügung.«
»Ich beneide Sie. Mein Friseur ist ein verrückter Ungar, der
an einer Lähmung leidet.«
Er handelte sich einen eisigen Blick ein. »Das Foto, das Ihrem
Dossier beiliegt, wird Ihnen nicht gerecht.«
»Meinen Glückwunsch. Sie haben Ihre Hausaufgaben
gemacht.«
»Könnte ich Sie unter vier Augen sprechen, Mr. Pitt?«
Pitt nickte zu Julia hin. »Nur wenn Ms. Lee dabei ist.«
»Ich fürchte, unser Gespräch wird die bezaubernde junge
Dame nicht interessieren.«
Pitt wurde klar, daß Qin Shang nicht wußte, wer Julia war.
»Im Gegenteil. Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit. Ich hätte
erwähnen sollen, daß Ms. Lee Agentin bei der amerikanischen
Einwanderungsbehörde ist. Außerdem ist sie auf einem Ihrer
Viehtransporter mitgefahren und hatte das zweifelhafte
Vergnügen, Ihre Gastfreundschaft am Orion Lake genießen zu
dürfen. Sie kennen doch sicher den Orion Lake? Er liegt im
Staate Washington.«
Einen Moment lang funkelten die jadegrünen Augen wütend,
dann hatte sich Qin Shang wieder gefaßt. »Wenn Sie mir bitte
folgen wollen«, sagte er ruhig und gelassen. Er wandte sich um
und entfernte sich gemessenen Schrittes, so als wüßte er genau,
daß Pitt und Julia hinterherkamen.
»Ich glaube, der Zeitpunkt ist gekommen«, sagte Pitt, als er
Julia aufhalf.
»Du durchtriebener Kerl«, murmelte sie. »Du hast von
Anfang an gewußt, daß er nach uns Ausschau hält.«
»Ohne eine gesunde Portion Neugier wäre Shang nicht so
weit gekommen.«
Gehorsam folgten sie Shang durch das Gedränge zu dem
Durchgang, wo ihm der kostümierte Riese die Tür aufhielt. Der
Nebenraum, den sie betraten, war eher schlicht und bescheiden,
ganz anders als der überladene Festsaal. Die Wände waren
hellblau gestrichen, aber ohne Schmuck und Zierat. Ein Sofa,
zwei Sessel und ein Schreibtisch, auf dem lediglich ein Telefon
stand, waren das einzige Mobiliar. Shang winkte sie zu dem
Sofa und nahm am Schreibtisch Platz. Belustigt stellte Pitt fest,
daß der Schreibtisch und der Sessel leicht erhöht standen, damit
Qin Shang auf seine Gäste herabblicken konnte.
»Entschuldigen Sie, daß ich es anspreche«, sagte Pitt
leichthin.
»Aber es geht um das bronzene Räuchergefäß in Ihrer
Vorhalle. Stammt aus der Liao-Dynastie, glaube ich.«
»O ja, ganz recht.«
»Ich nehme an, Sie wissen, daß es eine Fälschung ist.«
»Sie sind sehr aufmerksam, Mr. Pitt«, sagte Qin Shang, der
keineswegs gekränkt wirkte. »Aber es handelt sich nicht um
eine Fälschung, sondern um eine ausgezeichnete Replik. Das
Original ist seit den Kriegswirren des Jahres 1948 verschollen,
als Mao Tsetungs Volksbefreiungsarmee Tschiang Kaischeks
Truppen zerschlug.«
»Ist das Gefäß etwa noch in China?«
»Nein, Tschiang hat es meinem Volk geraubt und zusammen
mit vielen anderen Kunstschätzen auf ein Schiff verladen lassen,
das auf hoher See verschollen ist.«
»Und keiner weiß, wo das Schiff liegen könnte?«
»Ich habe mich viele Jahre lang darum bemüht, dieses
Geheimnis zu lüften. Dieses Schiff und seine Fracht zu finden
ist der sehnlichste Wunsch meines Lebens.«
»Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man ein Schiffswrack
nur dann findet, wenn es gefunden werden will.«
»Sehr poetisch«, versetzte Shang und warf einen kurzen Blick
auf seine Uhr. »Ich muß zurückkehren und mich um meine
Gäste kümmern. Daher werde ich mich kurz fassen, bevor ich
Sie von meinem Sicherheitsdienst zur Tür begleiten lasse.
Verraten Sie mir bitte den Grund Ihres unerwünschten
Besuchs.«
»Ich dachte, das wäre klar«,

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