Höllenflut
wußte nicht, was er darauf antworten sollte,
und ein Prophet war er auch nicht. Sein Verstand sagte ihm, daß
es durchaus so kommen könnte, wie Qin Shang vorausgesagt
hatte. Aber insgeheim wollte er die Hoffnung nicht aufgeben. Er
stand auf und nickte Julia zu. »Ich glaube, wir haben uns Mr.
Shangs unsinniges Geschwätz lange genug angehört.
Offensichtlich hört er sich gern reden. Los, nichts wie raus aus
diesem protzigen Bombast und falschen Prunk. Ich brauche
frische Luft.«
Qin Shang sprang auf. »Wagen Sie es nicht, mich zu
verspotten«, knurrte er.
Pitt ging zum Schreibtisch und beugte sich darüber, bis er nur
mehr wenige Zentimeter von Qin Shangs Gesicht entfernt war.
»Sie verspotten, Mr. Shang? Das ist sehr mild ausgedrückt. Ich
lass' mir lieber den Weihnachtsstrumpf voller Kuhmist füllen,
als daß ich mir noch länger Ihr schwachsinniges Geschwafel
über künftige Entwicklungen anhöre.« Dann ergriff er Julias
Hand. »Komm, wir hauen ab.«
Julia machte keine Anstalten zu gehen. Sie wirkte wie
benommen. Pitt mußte sie förmlich mit sich ziehen. In der Tür
hielt er inne und blickte noch einmal zurück.
»Vielen Dank für einen höchst anregenden Abend, Mr. Shang.
Ihr Champagner und die Meeresfrüchte waren hervorragend, vor
allem die Abalonen.«
Der Chinese blickte ihn mit versteinerter Miene an, »Niemand
spricht so mit Qin Shang.«
»Sie tun mir leid, Shang. Nach außen hin sind sie zwar
stinkreich und allmächtig, aber im Grunde genommen sind Sie
doch nur ein Neureicher, der in seinen Tand vernarrt ist.«
Qin Shang konnte sich nur mühsam beherrschen. »Sie haben
einen tödlichen Fehler begangen, Mr. Pitt«, sagte er schließlich
mit eisiger Stimme.
Pitt rang sich ein Lächeln ab. »Die beiden Killer, die Sie mir
heute abend auf den Hals gehetzt haben, ebenfalls.«
»Beim nächsten Mal werden Sie nicht soviel Glück haben.«
»Lassen Sie sich eins gesagt sein, nur damit hier alles klar
ist«, erwiderte Pitt ruhig. »Ich habe ebenfalls einen Killertrupp
auf Sie angesetzt, Mr. Shang. Mit etwas Glück werden wir uns
nie wiedersehen.«
Ehe Qin Shang noch etwas sagen konnte, gingen Pitt und Julia
weg und drängten sich zwischen den Gästen hindurch zur
Haustür. Julia öffnete unauffällig ihre Tasche, hielt sie hoch, als
suchte sie ihren Lippenstift, und sprach leise in das kleine
Funkgerät.
»Hier Drachenlady. Wir kommen raus.«
»Drachenlady«, sagte Pitt. »Ein besserer Codename ist dir
wohl nicht eingefallen.«
Sie musterte ihn mit ihren blaugrauen Augen, als wäre er
nicht recht bei Trost. »Er paßt«, sagte sie nur.
Falls Qin Shangs gedungene Killer vorgehabt hatten, den
Duesenberg zu verfolgen und die Insassen an der ersten Ampel
abzuknallen, mußten sie schleunigst davon Abstand nehmen, als
sich zwei dunkle Kleinbusse ohne Aufschrift hinter dem großen
Wagen einordneten und ihm Geleitschutz gaben.
»Hoffentlich sind die auf unserer Seite«, sagte Pitt.
»Auf Peter Harper ist Verlaß. Wenn der INS seine Leute
schützen läßt, engagiert er Spezialisten von außerhalb. Die
Leute in den beiden Bussen gehören einem kaum bekannten
Sicherheitsdienst an, der bei Bedarf Leibwächter für sämtliche
Regierungsstellen besorgen kann.«
»So ein Jammer.«
Sie blickte ihn fragend an. »Was meinst du damit?«
»Wenn uns diese schwerbewaffneten Anstandswauwaus auf
Schritt und Tritt bewachen, kann ich dich schlecht auf einen
Schlummertrunk zu mir nach Hause mitnehmen.«
»Bist du sicher, daß du nicht noch was anderes im Sinn
hattest?« erwiderte Julia mit belegter Stimme.
Pitt nahm eine Hand vom Lenkrad und tätschelte ihr bloßes
Knie. »Frauen werden mir immer ein Rätsel bleiben. Ich hatte
gehofft, daß du vielleicht jede Vorsicht fahren läßt und einfach
mal vergißt, daß du eine Agentin in Diensten der Regierung
bist.«
Sie rutschte über die Sitzbank, bis sich dicht neben ihm saß,
und ergriff seinen Arm. Sie fand das leise Röhren des Motors
und den Ledergeruch sehr erregend. »Seit wir das Haus von
diesem Drecksack verlassen haben, bin ich nicht mehr im
Dienst«, sagte sie. »Ich kann tun und lassen, was ich will.«
»Wie werden wir deine Freunde los?«
»Gar nicht. Die sind ständig bei uns.«
»Wenn das so ist - meinst du, die stört es, wenn ich einen
klönen Umweg mache?«
»Vermutlich«, sagte sie lächelnd. »Aber ich nehme an, du
machst ihn trotzdem.«
Pitt schaltete schweigend hoch, steuerte den Duesenberg
lässig durch den Verkehr,
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