Höllenflut
erwiderte Pitt ungerührt. »Ms.
Lee und ich wollten den Mann kennenlernen, dem wir den
Garaus machen werden.«
»Sie machen nicht viele Worte, Mr. Pitt. Ich schätze das bei
einem Widersacher. Aber in diesem Krieg werden Sie das Opfer
sein.«
»Und was für ein Krieg soll das sein?«
»Ein Wirtschaftskrieg zwischen der Volksrepublik China und
den Vereinigten Staaten. Ein Krieg, bei dem es für den Sieger
um außerordentliche Macht und gewaltigen Reichtum geht.«
»Damit kann man mich nicht reizen.«
»Mich schon. Das ist der Unterschied zwischen uns und
zwischen unseren Landsleuten. Wie den meisten Amerikanern
mangelt es Ihnen an Ehrgeiz und Entschlossenheit.«
Pitt zuckte die Achseln. »Wenn Habgier Ihr Gott ist, besitzen
Sie sehr wenige wahre Werte.«
»Halten Sie mich etwa für einen habgierigen Menschen?«
fragte Qin Shang freundlich.
»Was ich bislang von Ihnen mitbekommen habe, hat mich
nicht gerade vom Gegenteil überzeugt.«
»Alle großen Männer der Geschichte wurden von Ehrgeiz
getrieben. Ohne Ehrgeiz keine Macht. Die Welt läßt sich nicht
in Gut und Böse unterteilen, auch wenn das viele glauben,
sondern in Menschen, die handeln, und solche, die das nicht tun,
Visionäre und Verblendete, Realisten und Romantiker. Nicht
Rührseligkeit und gute Taten zählen auf dieser Welt, Mr. Pitt,
sondern Leistung.«
»Und was, außer einem bombastischen Mausoleum für Ihren
Sarg, versprechen Sie sich letzten Endes?«
»Sie mißverstehen mich. Mein Ziel ist es, aus China die
größte Weltmacht aller Zeiten zu machen.«
»Während Sie noch reicher werden, als Sie bereits sind. Wo
soll das enden, Mr. Shang?«
»Es wird nicht enden, Mr. Pitt.«
»Wenn Sie glauben, daß China die Vereinigten Staaten
überholen kann, haben Sie aber ein hartes Stück Arbeit vor
sich.«
»Oh, aber der Anfang ist bereits gemacht«, versetzte Qin
Shang nüchtern. »Ihr Land ist bereits im Niedergang begriffen,
während meines auf dem Weg zum Aufstieg ist. Wir sind bereits
die stärkste Wirtschaftsmacht in der Geschichte der Menschheit
und haben die USA längst hinter uns gelassen. Unser
Außenhandelsdefizit gegenüber Japan haben wir ebenfalls
ausgeglichen. Ihre Regierung ist trotz ihres Kernwaffenarsenals
machtlos. Bald wird nicht mehr daran zu denken sein, daß man
uns Einhalt gebietet, wenn wir uns Taiwan und andere asiatische
Länder einverleiben wollen.«
»Kommt es denn darauf wirklich an?« fragte Pitt. »Was den
Lebensstandard angeht, werdet ihr trotzdem noch die nächsten
hundert Jahre hinterherhinken.«
»Die Zeit spricht für uns. Wir werden Amerika nicht nur von
außen zersetzen, sondern mit Hilfe Ihrer Landsleute auch dafür
sorgen, daß es von innen zerfällt. Innere Unruhen und
Rassenkriege werden das Schicksal Ihres Landes besiegeln.«
Allmählich erkannte Pitt, worauf es Qin Shang anlegte.
»Begünstigt und beschleunigt durch die von Ihnen organisierte
illegale Einwanderung, habe ich recht?«
Qin Shang wandte sich an Julia. »Ihre Einwanderungsbehörde
schätzt, daß jedes Jahr knapp eine Million Chinesen legal und
illegal in die Vereinigten Staaten und nach Kanada einwandern.
Genaugenommen sind es eher zwei Millionen. Während Sie und
Ihre Kollegen Ihre Kräfte darauf konzentriert haben, die Grenze
zu Ihren südlichen Nachbarn abzuriegeln, haben wir Unmassen
meiner Landsleute über See verfrachtet und an Land gebracht.
Eines Tages - und viel früher, als Sie denken - werden Ihre
Küstenstaaten und die kanadischen Westprovinzen in
chinesischer Hand sein.«
Für Pitt war das schlichtweg undenkbar. »Von mir kriegen Sie
eine Eins in Wunschdenken, aber eine Sechs in Gesundem
Menschenverstand.«
»Das ist nicht so lächerlich, wie Sie meinen«, sagte Qin
Shang gleichmütig. »Bedenken Sie doch, wie sehr sich in den
letzten hundert Jahren die Grenzen in Europa verändert haben.
Durch Völkerwanderungen wurden im Laufe der Jahrhunderte
immer wieder alte Großreiche zerstört und neue begründet.«
»Ein interessanter Ansatz«, versetzte Pitt. »Aber trotzdem nur
graue Theorie. In die Wirklichkeit läßt sich das nur umsetzen,
wenn die Amerikaner stillhalten und toter Mann spielen.«
»Ihre Landsleute haben die ganzen neunziger Jahre über
geschlafen«, erwiderte Qin Shang, der einen deutlich schärferen,
geradezu bedrohlichen Ton anschlug. »Wenn sie aufgewacht
sind, wird es bereits zu spät sein.«
»Das sind ja gräßliche Aussichten«, sagte Julia sichtlich
erschüttert.
Pitt schwieg. Er
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