Höllenflut
und wieder zum
Passagierdampfer umgebaut. Danach verkehrte sie zwischen
Hongkong und Schanghai. Im Spätherbst 1948 wurde sie
schließlich außer Dienst gestellt und sollte zum Abwracken nach
Singapur auslaufen.«
»Nach Singapur?« rief Pitt. »Du hast doch gesagt, daß sie vor
der südamerikanischen Küste gesunken ist.«
»Ihr weiteres Schicksal ist ungewiß«, sagte Perlmutter,
während er etliche lose Blätter aus dem Buch zog. »Ich habe alle
Auskünfte, die ich finden konnte, zusammengetragen und ein
kurzes Resümee verfaßt. Als gesichert gilt lediglich, daß sie
niemals zum Abwracken in Singapur eintraf. Die letzte Meldung
über sie stammt vom Funker eines Marinestützpunktes in
Valparaiso in Chile. In dem Bericht des Funkers heißt es, daß
ein Schiff, das sich als Princess Dou Wan zu erkennen gab,
mehrere Notrufe abgesetzt habe, denen zufolge es zweihundert
Meilen weiter westlich in einen heftigen Sturm geraten war,
Wasser machte und immer mehr Schlagseite bekam. Dann brach
die Verbindung ab, und man hat nie wieder etwas von ihr
gehört. Sie reagierte auf keinen Funkspruch, und auch bei der
anschließenden Suche fand man keine Spur von ihr.«
»Könnte es noch eine andere Princess Dou Wan gegeben
haben?« fragte Julie.
Perlmutter schüttelte den Kopf. »Im Internationalen
Schifffahrtsregister von 18j0 bis heute ist nur eine Princess Dou
Wan aufgeführt. Möglicherweise wurde der Funkspruch von
einem anderen chinesischen Schiff abgesetzt, das eine falsche
Fährte legen wollte.«
»Woher stammt das Gerücht, daß Antiquitäten an Bord
gewesen sein sollen?« fragte Pitt.
Perlmutter breitete die Arme aus, die Handteller nach oben
gewandt. »Ein Mythos, eine Legende, wie es sie rund um die
See zuhauf gibt. Meines Wissens stammt diese Aussage
lediglich von Hafenarbeitern und nationalchinesischen Soldaten,
die mit dem Beladen des Schiffes betraut waren. Sie wurden
später von den Kommunisten aufgegriffen und verhört. Einer
behauptete, eine Kiste sei aufgebrochen, als man sie an Bord
gehievt habe, und darin habe sich ein lebensgroßes Bronzepferd
befunden.«
»Wie, um alles auf der Welt, sind Sie an dieses Material
gekommen?« sagte Julia, die geradezu überwältigt war von
Perlmutters marinehistorischem Wissen.
Er lächelte. »Über Forscherkollegen aus China. Ich habe
überall auf der Welt meine Informanten, die mir sämtliche
Bücher und Auskünfte über Schiffsunglücke schicken, die sie
finden. Sie wissen, daß ich sie fürstlich entlohne, wenn sie mir
Berichte zukommen lassen, die Neues oder bislang Unbekanntes
enthalten. Die Geschichte der Princess Dou Wan stammt von
einem alten Freund namens Zhu Kwan, dem führenden
Historiker Chinas. Wir schreiben uns seit vielen Jahren und
tauschen unsere Erkenntnisse aus. Er war es, der mich auf ein
geheimnisvolles, angeblich mit sagenhaften Schätzen beladenes
Schiff aufmerksam machte.«
»Hat er dir mitgeteilt, um was für Schätze es sich handelt?«
»Nein, er meinte nur, er sei aufgrund seiner Forschungen zu
der Überzeugung gelangt, daß Tschiang Kaischek vor dem
Einmarsch von Maos Truppen in Schanghai sämtliche alten
chinesischen Kunstschätze aus Museen, Palästen und Villen
rauben ließ. Die Auflistungen chinesischer Kunstschätze sind,
bis zum Zweiten Weltkrieg jedenfalls, eher lückenhaft. Aber
man weiß, daß nach der Machtübernahme durch die
Kommunisten nur wenige alte Kulturgüter gefunden wurden.
Alles, was man heutzutage in China besichtigen kann, wurde
erst nach 1948 entdeckt und ausgegraben.«
»Und kein einziges Stück ist je wiederaufgetaucht?«
»Meines Wissens nach nicht«, erwiderte Perlmutter. »Und
auch Zhu Kwan hat mir bisher nichts Gegenteiliges berichtet.«
Pitt genoß den letzten Schluck von dem vierzig Jahre alten
Portwein in seinem Glas. »Womöglich liegt also das ganze
gewaltige Erbe der chinesischen Kultur am Meeresgrund.«
Julia blickte ihn verwundert an. »Das ist ja alles ganz
faszinierend, aber ich verstehe nicht recht, was es mit Qin Shang
und seinen Schleusergeschäften zu tun hat.«
Pitt nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Die
Einwanderungsbehörde, von mir aus auch die CIA und das FBI
können Qin Shang und seine verfluchte Firma frontal und von
der Flanke angehen. Aber was seine Gier auf die verschollenen
Kunstschätze Chinas angeht - dafür ist die NUMA zuständig,
und wir können ihn damit von hinten packen, dort, wo er am
wenigsten damit rechnet. St. Julien und ich müssen uns
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